Atomabkommen auf der Kippe - Iran kündigt weiteren Teilausstieg an

05.11.2019 18:41

Der Iran plant einen weiteren Teilausstieg aus dem Wiener
Atomabkommen und spricht von einer zehnmal schnelleren
Urananreicherung. Damit könnte das Aus des mühsam ausgehandelten
Atomdeals nur noch eine Frage der Zeit sein.

Teheran (dpa) - Der iranische Präsident Hassan Ruhani hat einen
weiteren Teilausstieg aus dem Wiener Atomabkommen angekündigt und
damit international Besorgnis ausgelöst. In der vierten Phase werde
der Iran von diesem Mittwoch an in der Atomanlage Fordo Urangas in
bisher inaktive 1044 Zentrifugen injizieren, sagte der Präsident am
Dienstag im iranischen Staatssender IRIB. Nach dem internationalen
Atomabkommen von 2015 sollte die Anlage Fordo nur für
wissenschaftliche Projekte genutzt werden - die Zentrifugen dort
durften ohne Gasinjektion lediglich getestet werden.

Nach jahrelangen harten Verhandlungen hatten sich die UN-Vetomächte,
Deutschland und der Iran am 14. Juli 2015 in Wien auf ein Abkommen
geeinigt, das Teheran am Aufbau einer Atomstreitmacht hindern soll.
Es stellte die iranische Atomindustrie unter Kontrolle und sagte den
Abbau westlicher Wirtschaftssanktionen zu. Die USA fordern ein
härteres Abkommen mit weiteren Auflagen für die Führung in Teheran.

UN-Generalsekretär António Guterres rief über seinen Sprecher alle
beteiligten Staaten dazu auf, ihr Möglichstes zu tun, um das
Atomabkommen zu wahren.

Ruhani betonte, die Internationale Atomenergiebehörde IAEA sei in
Kenntnis gesetzt worden, die Maßnahmen seien jederzeit umkehrbar.
«Sobald die Gegenseite das Atomabkommen voll und ganz umsetzt, werden
auch wir dies umgehend tun», sagte Ruhani. Der Iran wolle nicht mehr
als im Atomabkommen vorgesehen: sein Öl verkaufen und das Geld über
das internationale Banksystem erhalten. Bis zur Umsetzung dieser
legitimen Forderung bleibe der Iran weiterhin gesprächsbereit,
gleichzeitig aber auch konsequent, so der Präsident.

Die EU zeigte sich angesichts der jüngsten Ankündigungen aus Teheran

besorgt, wie eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica
Mogherini in Brüssel sagte. Sie rief den Iran dazu auf, alle
Aktivitäten, die nicht mit dem Atomabkommen in Einklang stehen, zu
unterlassen. Die EU stehe weiter zu dem Abkommen, auch wenn es immer
schwieriger zu retten sei.

Auch Frankreich forderte den Iran nachdrücklich auf, seine
Entscheidungen, die dem Atomabkommen zuwiderlaufen, rückgängig zu
machen. Russland reagierte ebenfalls besorgt auf die Äußerungen des
iranischen Präsidenten. Ein solcher Schritt sei kein gutes Zeichen,
sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Moskau befürworte wie seine
Partner, dass der Vertrag bestehen bleibe, sagte er der Agentur Tass
zufolge.

Der iranische Atomchef Ali Akbar Salehi hatte bereits am Montag
bekanntgegeben, dass der Iran inzwischen mit schnelleren Zentrifugen
arbeite, die den Prozess der Urananreicherung wesentlich
beschleunigen sollen. Die seit September genutzten neuen IR-6- Geräte
seien zehnmal schneller als die alten IR-1-Zentrifugen, sagte Salehi,
der auch Vizepräsident des Landes ist. 

Beobachter in Teheran schätzen die Entwicklung als gefährlich ein.
Mit dem richtigen Know-how und modernen Zentrifugen lässt sich Uran
mittel- oder langfristig bis 90 Prozent anreichern, was dann auch den
Bau einer Atombombe ermöglichen würde.

Nach dem mühsam ausgehandelten internationalen Atomabkommen darf die
Islamische Republik nur die ältere Generation der Zentrifugen (IR-1)
nutzen, Uran lediglich auf 3,67 Prozent anreichern und nicht mehr als
300 Kilogramm an Uranbestand haben. Die auf 3,67 Prozent begrenzte
Urananreicherung war einer der Kernpunkte des Wiener Vertrags, um den
Bau iranischer Nuklearwaffen zu verhindern.

Die USA waren im Mai 2018 einseitig aus dem Atomabkommen
ausgestiegen, das dem Iran eine friedliche Nutzung der Kernkraft
gestattet, aber die Entwicklung von Kernwaffen verwehrt. Washington
führte zudem Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder ein. Damit
wollen die USA Teheran zwingen, einem um außenpolitische und
militärische Fragen erweiterten Abkommen zuzustimmen.

Teheran verlangte von den verbliebenen Vertragspartnern - China,
Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland - die Rettung
des Abkommens, insbesondere die Missachtung der Sanktionen. Nach
einer Frist von einem Jahr nach dem US-Ausstieg begann der Iran, sich
seinerseits schrittweise von Bestimmungen des Abkommens
zurückzuziehen, um Druck auf die verbleibenden Vertragsparteien
auszuüben.