Von der Leyen: «Europa muss Sprache der Macht lernen»

08.11.2019 19:55

Berlin (dpa) - Europa muss nach Auffassung der künftigen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen energischer in der
Welt auftreten. «Europa muss auch die Sprache der Macht lernen»,
sagte sie am Freitag in Berlin in einer Europa-Rede vor der
Konrad-Adenauer-Stiftung. «Das heißt zum einen, eigene Muskeln
aufbauen, wo wir uns lange auf andere stützen konnten - zum Beispiel
in der Sicherheitspolitik», sagte die frühere deutsche
Verteidigungsministerin. «Zum anderen die vorhandene Kraft gezielter
einsetzen, wo es um europäische Interessen geht.»

Als Beispiel nannte von der Leyen die Handelspolitik. China sei zwar
ein wichtiger Handelspartner für Europa. Aber umgekehrt sei die EU
Pekings größter Handelspartner. «Wir können die Bedingungen
beeinflussen, zu denen wir Geschäfte machen», sagte von der Leyen.
Dies geschehe auch bereits. So freue man sich über jedes ausländische
Unternehmen, das an Ausschreibungen in der EU teilnehme, sei es für
den Bau von Autobahnen oder Stromtrassen. «Aber wir werden künftig
stärker darauf achten, dass sich diese Unternehmen auch an unsere
Standards halten, zum Beispiel was Arbeitsbedingungen und
Umweltschutzvorschriften angeht.»

Von der Leyen rief Europa auf, sich auf seine Stärken zu besinnen.
Für Verzagtheit gebe es keinen Grund. «Europa ist heute attraktiver,
als wir es oft wissen oder zumindest darüber reden.» Europa möge
hinsichtlich seiner Bevölkerung älter und weniger werden. «Aber wir
haben etwas, was unschätzbar ist: Rechtsstaat, Freiheit, Demokratie,
Offenheit für viele Lebensentwürfe - das finden junge Menschen in
China oder Russland nicht.»

Die neue Kommissionspräsidentin sprach sich für eine «strategische
Erweiterungspolitik» aus. «Dass der Westbalkan eine europäische
Perspektive hat, ist in unserem ureigensten Interesse. Wir teilen
dieselbe Geschichte, denselben Kontinent, wir haben dieselbe Kultur
und dieselben Herausforderungen.» Mit Nordmazedonien und Albanien
müssten Beitrittsgespräche beginnen. Beide Länder hätten alle
Forderungen erfüllt. «Wenn wir Europäer dem Westbalkan keine
Perspektive an unserer Seite geben, dann werden andere in diese Lücke
stoßen, seien es China oder Russland, die Türkei oder Saudi-Arabien»,

warnte von der Leyen.