Europa investiert Rekordsumme in Raumfahrt - Deutsche Ziele erreicht Von Emilio Rappold, dpa

28.11.2019 17:27

So viel Geld gab es noch nie für europäische Projekte im All. Auf
einer Ministerkonferenz wurde deutlich, dass Raumfahrt nicht nur
Prestigethema ist. Es geht um Klimawandel, Wettbewerbsfähigkeit - und
die Rettung der Menschheit.

Sevilla (dpa) - Europa will mit Mond-Missionen, Asteroiden-Abwehr und
weiteren ehrgeizigen Projekten künftig stärker im Weltall mitspielen,
allen voran Deutschland. Auf der wegweisenden Ministerrats-Konferenz
«Space19+» beschlossen die 22 Mitgliedsländer der Europäischen
Weltraumorganisation Esa in Sevilla eine unerwartet starke Anhebung
des Budgets für die nächsten drei beziehungsweise fünf Jahre auf 14,4

Milliarden Euro. Eine Rekordsumme. Vor drei Jahren in Luzern waren
für ebenso lange Zeiträume 10,3 Milliarden bewilligt worden. «Das ist

sehr überraschend. Das ist mehr, als ich vorgeschlagen hatte», sagte
Esa-Generaldirektor Jan Wörner am Donnerstag breit lächelnd zum
Abschluss der zweitägigen Tagung. «Ich bin sehr glücklich!»

Mit etwa 3,3 Milliarden (bisher 1,9 Mrd) Euro übernimmt Deutschland
von Frankreich (2,6 Mrd) die Rolle des stärksten Beitragszahlers. Die
deutsche Delegation erreichte dabei in der südspanischen Stadt nach
eigenen Angabe auch alle gesteckten Ziele. «Wir sind sehr zufrieden»,
sagte der deutsche Chefverhandler Thomas Jarzombek der Deutschen
Presse-Agentur. Der Raumfahrt werde nicht nur in Deutschland mehr
Beachtung geschenkt als in der Vergangenheit.

Der Steuerzahler kann auf Gegenleistungen hoffen. Stichwort
Klimawandel: Der Bereich der Erdbeobachtung bekommt mit 2,54
Milliarden den größten Batzen. Der zuständige Esa-Direktor Josef
Aschbacher erklärte auf eine Journalistenfrage, was man denn mit all
dem Geld anstellen werde: «Wir werden unter anderem bessere Messungen
vom CO2-Ausstoß durchführen können.»

Das werden Greta Thunberg & Co. vor der Klimakonferenz im Dezember in
Madrid sicher gern hören. Viel Geld bekommen auch die Bereiche
Raumtransport (zu dem die neue Trägerrakete Ariane 6 gehört) mit gut

2,2 Milliarden, Erkundung durch Mensch und Roboter (zu dem die
Mondmissionen zählen) mit knapp zwei, Wissenschaftsprogramme mit rund
1,7 sowie Telekommunikationen mit 1,5 Milliarden Euro.

Deutschland habe «fast eine Milliarde mehr als vor drei Jahren
ausgegeben» und könne somit «erstmalig in neue Raumfahrt-Anwendungen

wie kleine Launcher, die im Wettbewerb entstehen, investieren», sagte
Jarzombek auf einem Twitter-Video. Eines der Hauptziele Deutschlands
bei den Verhandlungen in Sevilla sei der Mittelstand gewesen. «150
Prozent mehr für unsere Raumfahrt-Mittelständler. Das stärkt die
industrielle Struktur quer durch Deutschland», betonte der
CDU-Politiker und Koordinator der Bundesregierung für die deutsche
Luft- und Raumfahrt.

Die Deutschen erreichten nach eigenen Angaben auch, dass bei der
Setzung von Prioritäten die Erdbeobachtung, Wissenschaftsprogramme
sowie die Mondmissionen und die internationale Raumfahrtstation ISS
im Mittelpunkt stehen.

Ein wichtiger Punkt war nach Angaben von Jarzombek auch die neue
Trägerrakete Ariane 6, die im Juni 2020 zum Jungfernflug starten
soll. Man habe die «deutschen Anteile (an der Rakete) gestärkt,
insbesondere den Standort in Augsburg, aber auch an anderen Stellen
in Deutschland, wo wir deutliche Verbesserungen vornehmen werden, und
auch damit international wettbewerbsfähig sind».

In Sevilla wurde auch dank der engagierten Ausführungen von Wörner
deutlich, dass Raumfahrt vor dem Hintergrund zunehmender
internationaler Konkurrenz auch im privaten Sektor nicht nur ein
Prestigethema ist. «Nun wissen wir, worum es geht», sagte Ungarns
Außenminister Péter Szijjártó. Es geht um Wettbewerbsfähigkeit,
Arbeitsplätze, Umweltschutz, Souveränität und vieles mehr. Nicht
zuletzt auch um die Sicherheit auf der Erde. Jarzombek: «Die
Menschheit ist bedroht, Asteroiden könnten auf die Erde treffen. Wir
haben uns für die Mission Hera eingesetzt, um Asteroiden bekämpfen zu
können.» Wörner sprach von «Billard spielen im All.»

Mit Spannung blickt man bei der Esa unterdessen auf das Mond-Programm
«Artemis» der US-Raumfahrtagentur Nasa. 2024 sollen nach den Plänen
von Präsident Donald Trump wieder US-Astronauten auf dem Mond landen.
Europa ist daran beteiligt, soll vorerst aber nur ein Servicemodul
zum Antrieb der Raumkapsel Orion beisteuern. Damit gibt sich der
Esa-Chef aber nicht zufrieden. «Wir werden auch Europäer auf den Mond
bringen», versicherte Wörner.

Von den gezeichneten 14,4 Milliarden Euro sind den Angaben zufolge
gut 12,5 Milliarden für den Zeitraum 2020-2022 vorgesehen sowie knapp
zwei Milliarden zur Fortsetzung der Pflichtprogramme der Esa in den
Jahren 2023 und 2024 geplant, falls es aus welchem Grund auch immer
keine Ministerratskonferenz Ende 2022 gibt.