Leyen startet ins Brüsseler Amt: «Ich fühle die Verantwortung» Von Alkimos Sartoros und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

01.12.2019 17:33

Die neue Präsidentin der Europäischen Kommission macht Tempo. Von
vorweihnachtlicher Ruhe ist an ihrem ersten Arbeitstag am 1. Advent
jedenfalls wenig zu spüren.

Brüssel (dpa) - Telefonate mit Partnern in aller Welt, eine kurze
Zeremonie, die politische Botschaft eines starken Europas: Ursula von
der Leyen ist am Sonntag in ihr Amt als Präsidentin der Europäischen
Kommission gestartet. Der Tag war nur ein Warmlaufen für ihre ersten
großen Auftritte auf internationaler Bühne: Am Montag will von der
Leyen bei der Weltklimakonferenz in Madrid ihr Topthema eines «Green
Deal» präsentieren und für Europa eine Führungsrolle im Kampf gegen

die Erderwärmung reklamieren. Am Freitag bricht sie auf zur ersten
Dienstreise nach Afrika.

Die 61 Jahre alte CDU-Politikerin steht schon seit ihrer Wahl im Juli
in den Startlöchern, doch ihr Team mit 26 Kommissaren hatte erst
vorige Woche mit der Bestätigung im Europaparlament die letzte Hürde
genommen - wegen Stolpersteinen bei der Nominierung dreier Kommissare
einen Monat später als vorgesehen. Jetzt hat von der Leyen im
fliegenden Wechsel vom Luxemburger Jean-Claude Juncker übernommen und
macht Tempo.

Am frühen Sonntagnachmittag hatte sie schon Telefongespräche mit den
Staats- oder Regierungschefs von Indonesien, Australien, Südkorea,
China und der Türkei hinter sich, wie sie der Deutschen
Presse-Agentur und einigen anderen Nachrichtenagenturen erzählte.
Kurz darauf wartete schon der nächste Anruf auf einer langen Liste
von Partnern im Kreis der G7- und G20-Staaten. Für die ehemalige
Bundesverteidigungsministerin ist das Teil ihrer politischen Agenda:
ein geopolitisches Europa, eines, das auf der Weltbühne ernst
genommen wird, das ist ihr erklärtes Ziel.

Öffentlich zeigte sich von der Leyen mittags bei einer kurzen
Zeremonie zum zehnten Jahrestag des Lissabon-Vertrags im Haus der
Europäischen Geschichte. Es war ein symbolischer Schulterschluss: Sie
kam gemeinsam mit dem neuen EU-Ratspräsidenten Charles Michel,
EU-Parlamentspräsident David Sassoli und der ebenfalls neuen Chefin
der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde.

«Von heute an sind wir die Wächter der Verträge», sagte von der Ley
en
da - denn das gehört zu den offiziellen Aufgaben der EU-Kommission:
Gesetze vorschlagen und die Einhaltung des gemeinsamen Rechts
überwachen. «Ich fühle die Verantwortung.» Und zu dieser
Verantwortung gehöre, «Europa stärker zu hinterlassen als wir es
geerbt haben.» Europa sei ein Schatz, aber auch ein Versprechen, ein
Bau, an dem jeden Tag gearbeitet werden müsse, sagte die
CDU-Politikerin mit Blick auf ihr fünfjähriges Mandat.

Die größte Baustelle ist für von der Leyen erklärtermaßen der «
Green
Deal» - der Wandel zu einer «klimaneutralen Wirtschaft» in Europa bis

2050, die ohne zusätzliche Treibhausgase funktioniert. Dieses Ziel
hat sie sich vorgenommen, um den Klimavertrag von Paris einzuhalten.
Gleichzeitig nennt sie es eine «neue Wachstumsstrategie» für Europa,

das in der Umwelttechnik häufig weit vorn liege.

Die meisten EU-Staaten tragen das Ziel der Klimaneutralität mit -
aber eben noch nicht alle. Unter anderem das stark auf Kohle
angewiesene Polen stellt sich bisher quer. Von der Leyen lässt solche
Widerstände nicht gelten. «Ich zähle auf alle 28 Mitgliedsstaaten,
denn wir verstehen alle, dass dies ein dringendes Anliegen ist»,
sagte sie.

Dasselbe gilt für die andere große Schlacht, die in der EU in den
kommenden Wochen ansteht: die Finanzplanung für die Jahre 2021 bis
2027. Für von der Leyen hängt viel davon ab, wie viel Geld ihr für
ihre großen Ziele zur Verfügung steht, nicht nur für den Klimaschutz,

sondern auch für ihr Herzensanliegen Digitalisierung. «Die
Erwartungen an die europäische Ebene sind hoch und wir wollen
liefern, aber das muss finanziert werden», sagte von der Leyen. Es
müsse genügend finanziellen Spielraum geben für die Modernisierung in

der Europäischen Union. «Das erwarten die Menschen von uns.»