Unterstützung für Seehofers Migrationspläne in Brüssel

02.12.2019 17:01

Seit Jahren geht in der europäischen Migrationspolitik kaum etwas
voran. Innenminister Seehofer will das mit seinen Vorschlägen ändern.
Wie reagieren die europäischen Partner?

Brüssel/Rom (dpa) - Die neue EU-Kommission hat den Vorstoß zur Reform
der europäischen Migrationspolitik von Bundesinnenminister Horst
Seehofer begrüßt. «Wir stimmen völlig mit Deutschland überein. Un
d
wir brauchen diese Art des Einvernehmens mit allen», sagte der
zuständige EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas am Montag beim
Treffen der EU-Innenminister in Brüssel. Allerdings sind nicht alle
EU-Staaten so aufgeschlossen. Auch Schinas betonte, dass man ganz am
Anfang stehe. Nun müsse Vertrauen zwischen allen EU-Staaten aufgebaut
werden.

Seehofer (CSU) hatte jüngst ein Konzept für die blockierte
Migrationspolitik vorgelegt. Auch die neue EU-Kommission unter
Präsidentin Ursula von der Leyen, die seit Sonntag im Amt ist, hatte
für die kommenden Monate einen Neustart angekündigt.

Die neue EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte am Montag. «Es gibt
derzeit ein Momentum für einen neuen Start.» Sie will in den
kommenden Wochen mit Schinas alle zuständigen EU-Minister treffen und
eine Lösung ausloten. Der deutsche Vorschlag bringt zumindest etwas
Bewegung in die festgefahrene Debatte.

Seehofer mahnte zur Eile. Mit Blick auf seine eigenen Vorschläge
sagte er, dass nichts im Bereich der Migrationspolitik völlig neu
sei. «Entscheidend ist, dass es jetzt geschieht.» Es gebe
Migrationsdruck aus allen Himmelsrichtungen.

Unterdessen spitzte sich die Lage an Bord des deutschen
Rettungsschiffes «Alan Kurdi» mit 69 Migranten zu. Seit Tagen sucht
die Besatzung im Mittelmeer nach einem sicheren Hafen, wo die
Menschen an Land dürfen. Am Sonntag seien vier Menschen ohnmächtig
geworden und zwei weitere am Montagmorgen, teilte Sea-Eye-Sprecher
Julian Pahlke mit. Neben der «Alan Kurdi» ist derzeit auch die «Ocean

Viking» von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen mit 60 Gerettet
en
im Mittelmeer unterwegs.

Der Vatikan will unterdessen einige Flüchtlinge von der griechischen
Insel Lesbos nach Italien holen. Am Donnerstag sollten 33
Asylbewerber nach Rom gebracht werden, teilte der Heilige Stuhl mit.
Zehn weitere sollten bis Ende Dezember folgen.

Ob sich die EU-Staaten tatsächlich mittelfristig auf eine Asylreform
einigen, ist völlig offen. Viele EU-Staaten sind die jahrelange
Blockade zwar leid. Allerdings liegen die Interessen weit
auseinander. Es scheitert unter anderem an einer Reform der
sogenannten Dublin-Regeln, wonach meist jener EU-Staat für
Asylanträge zuständig ist, auf dessen Boden Schutzsuchende zuerst
europäischen Boden betreten haben.

Östliche EU-Länder wie Polen und Ungarn wollen sich nicht zur
Aufnahme von Migranten verpflichten lassen. Und auch Tschechiens
Ministerpräsident Andrej Babis erteilte Seehofers Plänen bereits eine
deutliche Absage. Seehofer plädierte deshalb am Montag erneut dafür,
bei der Asylreform nicht auf eine Einigung aller EU-Staaten zu
warten.

Sein Konzept sieht unter anderem eine «Vorprüfung» von Migranten an
den EU-Außengrenzen vor. Dabei solle sowohl geprüft werden, ob ein
Sicherheitsrisiko von den Menschen ausgehe als auch ob sie Aussicht
auf Schutz haben. Wer diese Aussicht hat, soll dann in einem EU-Staat
seinen Asylantrag stellen. Bei der Verteilung der Menschen sollten
Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft der Staaten berücksichtigt
werden. Fällt die «Vorprüfung» negativ aus, soll die
EU-Grenzschutztruppe Frontex bei der Rückführung helfen.

Unterstützung für diese Überlegungen bekam Seehofer am Montag von
seinem österreichischen Kollegen Wolfgang Peschorn. Er begrüßte die
«Vorprüfung» an den EU-Außengrenzen. Zudem sei es ein Ansatz, der
für
eine Annäherung zwischen den EU-Staaten sorgen könne. Peschorn
betonte jedoch auch: «Wir brauchen Vorschläge für Regeln, die wieder

von allen akzeptiert werden.»

Den entscheidenden Vorschlag wird ohnehin die EU-Kommission vorlegen.
Die Brüsseler Behörde will in den kommenden Monaten ihre neue
Gesetzesvorschläge präsentieren, über die die EU-Minister sowie das
Europaparlament dann diskutieren müssen.