Partner auf Augenhöhe für Europa: Von der Leyen in Afrika Von Gioia Forster und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

07.12.2019 14:49

In Addis Abeba geben sich europäische Besucher quasi die Klinke in
die Hand - der junge äthiopische Regierungschef Abiy stiftet Hoffnung
in einer strategisch wichtigen Region. Auch die neue
EU-Kommissionschefin macht sich auf ans Horn von Afrika.

Addis Abeba (dpa) - Es war ein Blitzbesuch mit Symbolkraft: Europa
nimmt den Nachbarn Afrika wichtig, nicht von oben herab, sondern auf
Augenhöhe - das war die Botschaft der neuen EU-Kommissionschefin
Ursula von der Leyen am Samstag in Addis Abeba. Die Partner in der
äthiopischen Hauptstadt hörten das Signal zufrieden, weitere Treffen
und ein EU-Afrika-Gipfel nächstes Jahr sind bereits angebahnt. Aber
konkrete Lösungen für die Großthemen Migration, Wohlstand, Frieden
und Stabilität sind damit natürlich nicht sofort in Sicht.

Dass von der Leyen Äthiopien als erstes Reiseziel außerhalb Europas
wählte, überrascht kaum. Sie reiht sich ein in einen Strom
prominenter Besucher, die seit Amtsantritt des jungen Regierungschefs
Abiy Ahmed im April 2018 durch Addis Abeba gereist sind. Allein aus
Deutschland kamen Außenminister Heiko Maas, Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder,
Gesundheitsminister Jens Spahn, Agrarministerin Julia Klöckner,
Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller.
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reiste zu Abiy.

Der 43 Jahre alte Ministerpräsident beflügelt Hoffnungen. Nach 20
Jahren Konflikt hat er Frieden mit dem Nachbarn Eritrea geschlossen
und sich im Sudan nach dem Sturz von Omar al-Baschir für eine
friedliche politische Lösung eingesetzt. Für seine Bemühungen erhäl
t
er in diesem Jahr den Friedensnobelpreis.

Addis Abeba ist zudem Sitz der Afrikanischen Union (AU), auf dem
Papier ein Gegenstück zur Europäischen Union mit 55 afrikanischen
Staaten und einer Kommission als Leitungsgremium. Dem Organ wird zwar
Wirkungslosigkeit nachgesagt, da nur wenige Entscheidungen von den
Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Doch wächst die Bedeutung der AU
langsam. Es liegt im Interesse Europas, sie zu stärken.

Ein Treffen mit AU-Kommissionschef Moussa Faki war denn auch die
erste Station für von der Leyen nach ihrem Nachtflug von Brüssel «ins

Herz von Afrika», wie sie selbst es formulierte. «Ich hoffe, mein
Besuch bei der Afrikanischen Union kann eine starke politische
Botschaft setzen», sagte die 61-Jährige.

Sie habe keinen grandiosen Plan für Afrika in der Tasche, sondern
wolle in erster Linie zuhören, auch auf Afrikas Erfahrungen mit dem
Klimawandel und auf dem Weg zur Digitalisierung - Themen, die von der
Leyen für Europa zur Priorität erklärt hat. Mit Faki habe sie zudem
über Frieden, Sicherheit und Migration gesprochen. «Ehrlich gesagt
habe ich auch nicht alle Antworten auf diese Herausforderungen, aber
ich bin überzeugt, dass wir die Antworten zusammen finden können»,
sagte von der Leyen.

Bescheidenheit und Respekt - die Partner in Addis Abeba nahmen das
gerne an, auch Regierungschef Abiy. Es sei «die richtige Priorität
für Europa, mit Afrika zusammenzuarbeiten», sagte der junge
Ministerpräsident und betonte seine Ambitionen für die
wirtschaftliche Entwicklung und den Abbau der Arbeitslosigkeit in
seinem Land mit 110 Millionen Einwohnern. Frische Hilfszusagen der EU
über 170 Millionen Euro kommen Äthiopien sehr gelegen.

Denn viele der angestoßenen Reformen hat Abiy noch nicht vollendet.
Die Veränderungen am Horn von Afrika seien «positiv, aber noch sehr
fragil», sagt Expertin Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft
und Politik (SWP).

Das nahe Rote Meer ist eine der weltweit wichtigsten Handelsstraßen
und Transportweg für einen Großteil der Güter von und nach Asien. In

dem Gebiet sind viele Flüchtlinge und andere Migranten unterwegs,
auch in Richtung Mittelmeer. Etliche Großmächte buhlen um Einfluss,
von China bis Saudi-Arabien. Die EU will mitmischen und hat dabei
klare Eigeninteressen am Handel, an Rohstoffen und Absatzmärkten,
aber auch an einer Regulierung der Migration.

«Zusammen können wir Lösungen aufbauen und finden, die für Afrika u
nd
Europa gleichermaßen funktionieren», so sagte es von der Leyen. Die
Arbeit daran soll 2020 Fahrt aufnehmen. Schon für Februar sei eine
gemeinsame Sitzung mit der AU-Kommission geplant, danach ein
Ministertreffen und für Ende 2020 ein EU-Afrika-Gipfel in Brüssel.