Streit um Justizreformen in Polen verschärft sich

10.12.2019 15:27

Warschau (dpa) - In Polen hat sich der Streit um die Justizreformen
der nationalkonservativen PiS-Regierung verschärft. Wenige Tage nach
einem Urteil des Obersten Gerichts des Landes zur neuen
Disziplinarkammer lieferten sich Gerichtspräsidentin Malgorzata
Gersdorf und Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Dienstag eine
Auseinandersetzung über die möglichen Folgen. Die neue
Disziplinarkammer ist ein Schlüsselelement der von der PiS
initiierten Justizreformen. Sie kann jeden Richter oder Staatsanwalt
entlassen.

In der vergangenen Woche hatte das Oberste Gericht geurteilt, dass
der Landesjustizrat in seiner neuen Zusammensetzung nicht ausreichend
unabhängig von Parlament und Regierung sei. Da die Mitglieder der
umstrittenen Disziplinarkammer aber vom Landesjustizrat ausgewählt
werden, sei auch diese nicht als unabhängiges Organ der Justiz
anzusehen.

Gerichtspräsidentin Gersdorf forderte nun die Richter der
Disziplinarkammer auf, in laufenden Verfahren keine Urteile zu
sprechen. Gersdorf warnte vor «juristischem Chaos» und davor, dass
der polnische Staat womöglich später Schadenersatz leisten müsse.

Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte dagegen der
rechtskonservativen Zeitung «Gazeta Polska», seine Regierung werde
sich nicht darauf einlassen, dass «einige Richter die Rechtmäßigkeit

der Ernennung anderer Richter infrage stellen». Er warf den Gegnern
der Justizreform vor, sie wollten Chaos im Justizsystem anrichten.

Die EU-Kommission hat wegen der Justizreformen der Regierung in
Warschau bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren eröffnet und
Klagen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) erhoben. Die neue
Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, kündigte laut
Nachrichtenagentur PAP einen baldigen Besuch in Polen an. Jourova ist
für Werte und Transparenz zuständig.