Britisches Unterhaus verabschiedet Gesetz zum Brexit-Deal

09.01.2020 18:53

Die Zeiten knapper Abstimmungen sind vorbei: Mit dem Ja des
Unterhauses zum Ratifizierungsgesetz für den Brexit-Deal ist
Großbritannien dem EU-Austritt wieder ein Stückchen näher gekommen.

London/Stockholm (dpa) - Drei Mal war die ehemalige Premierministerin
Theresa May daran gescheitert und auch ihr Nachfolger Boris Johnson
blieb zunächst daran hängen: Am Donnerstag hat das britische
Unterhaus das Gesetz zur Ratifizierung des Brexit-Abkommens mit einer
klaren Mehrheit von 330 zu 231 Stimmen verabschiedet.

Die Ratifizierung des Austrittsabkommens per Gesetz ist die
Voraussetzung für einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der
Europäischen Union am 31. Januar. Die Verabschiedung des Gesetzes
werde das Vertrauen in das Parlament und die Demokratie wieder
herstellen, sagte Brexit-Minister Steven Barclay während der Debatte.

Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss der Entwurf aber noch
mehrere Stufen im Oberhaus durchlaufen. Sollten die Lords
Veränderungen daran vornehmen, wäre erneut die Zustimmung des
Unterhauses erforderlich. Es gilt aber als so gut wie ausgeschlossen,
dass es dabei zu substanziellen Änderungen kommt. Seit dem
überwältigenden Sieg von Johnsons Konservativen bei der Wahl im
vergangenen Jahr ist vom Parlament kein nennenswerter Widerstand mehr
zu erwarten. Die Zeiten knapper Abstimmungen in London sind vorbei.

Bis Ende 2020 bleibt Großbritannien noch in einer Übergangsphase,
während der sich so gut wie nichts ändert. In dieser Zeit müssen sich

London und Brüssel auf ein Abkommen über die künftigen Beziehungen
einigen. Ob das gelingen kann, gilt jedoch angesichts des knappen
Zeitplans als unsicher. Eine Verlängerungsoption um bis zu zwei
Jahre, die noch bis Juli offensteht, schließt Johnson aber
kategorisch aus.

Brüssel werde sich bei den Verhandlungen zunächst vor allem auf eine
enge Sicherheitspartnerschaft und ein Handelsabkommen konzentrieren,
sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Donnerstag in Stockholm.
Darüber hinaus sollen neue Kanäle der Zusammenarbeit aufgebaut
werden.

Die von Großbritannien gewünschte Verhandlungsfrist von nur elf
Monaten sei einfach zu kurz, um alle Details der künftigen
Beziehungen auszuhandeln, so Barnier. Deshalb müsse man sich auf die
wichtigsten Punkte konzentrieren. Den Aufbau neuer Strukturen der
Zusammenarbeit und die künftige Partnerschaft im Kampf gegen
Verbrechen und Terrorismus nannte Barnier als Punkt eins und zwei,
ein Handelsabkommen als dritten Punkt.

Dabei wiederholte Barnier die strikten Leitlinien der EU. Man biete
ein Abkommen «ohne Zölle, ohne Kontingente, ohne Dumping» an.
Voraussetzung seien gleiche Wettbewerbsbedingungen bei Umwelt-,
Sozial-, Beihilfe- und Steuerregeln. «Es ist klar, dass das Scheitern
einer Vereinbarung für Großbritannien schädlicher wäre als für di
e EU
der 27», bekräftigte Barnier. 43 Prozent der britischen Exporte
gingen in die EU, 50 Prozent der britischen Importe kämen von dort.

Barnier sagte, die EU-Kommission werde am 1. Februar bereit sein, ein
Verhandlungsmandat vorzuschlagen. Gesprächsstart soll dann Ende
Februar oder Anfang März sein. Schon bis Juni wolle man so weit
kommen wie möglich. Die Staats- und Regierungschefs der 27 bleibenden
EU-Staaten und Großbritanniens würden dann Zwischenbilanz ziehen.