EuGH-Gutachter: Ungarisches NGO-Gesetz verletzt europäisches Recht

14.01.2020 11:34

Luxemburg (dpa) - Ungarn droht im Streit über ausländische Spenden an
Vereine und Verbände eine Niederlage vor dem Europäischen
Gerichtshof. Der zuständige EuGH-Gutachter empfahl am Dienstag, die
ungarischen Auflagen für finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland als
Verstoß gegen EU-Recht zu werten. Das Gesetz verletze sowohl den
Grundsatz des freien Kapitalverkehrs als auch europäische
Grundrechte. Das ist noch kein Urteil, doch häufig folgen die
obersten EU-Richter ihren Gutachtern. (Rechtssache C-78/18)

Die Regierungsmehrheit des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor
Orban hatte 2017 das sogenannte NGO-Gesetz beschlossen, gegen das die
EU-Kommission klagt. Es sieht die Registrierung von
Nichtregierungsorganisationen vor, die Spenden aus dem Ausland
bekommen und dabei einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Sie
müssen Zuwendungen öffentlich machen und sich selbst als «aus dem
Ausland unterstützte Organisation» bezeichnen. Kritiker sagen, das
Gesetz sei auf US-Investor und Spender George Soros zugeschnitten.
Der ungarische Ministerpräsident führt seit Jahren Kampagnen gegen
Soros.

In seinen Schlussanträgen folgt EuGH-Generalanwalt Manuel Campos
Sánchez-Bordona im Wesentlichen den Einwänden der Kommission. Die
Regelung beschränke den im europäischen Binnenmarkt garantierten
Grundsatz des freien Kapitalverkehrs. Die betroffenen Organisationen
könnten Finanzierungsschwierigkeiten bekommen, was ihr Recht auf
Vereinigungsfreiheit beschränken könnte. Die ausländischen Spender
wiederum könnten wegen der Veröffentlichung stigmatisiert werden.

Solche Veröffentlichungen fielen unter EU-Datenschutzrecht, hieß es
weiter. Die Nennung könnte «zur Bestimmung des ideologischen Profils
des Zuwenders» beitragen. Verletzt würden damit das Recht auf Schutz
des Privatlebens und personenbezogener Daten sowie das Recht auf
Vereinigungsfreiheit, die alle in der europäischen Grundrechtecharta
garantiert seien, stellt der Generalanwalt fest.

Derartige Eingriffe könnten zwar unter bestimmten Bedingungen
gerechtfertigt sein, etwa zum Schutz der öffentlichen Ordnung. Doch
seien die ungarischen Regeln zu allgemein. Und der Schwellenwert für
Spenden von nur rund 1500 Euro pro Jahr seien angesichts der Schwere
der Eingriffe unverhältnismäßig niedrig. Das Urteil in dem Fall
dürfte in einigen Wochen fallen.