Barley warnt wegen polnischer Justizreform: «Müssen wachsam bleiben»

16.01.2020 10:31

Seit Jahren baut die polnische Regierung das Justizsystem um. Und
auch in Ungarn läuft nach Ansicht einiger Europaabgeordneter einiges
schief.

Straßburg (dpa) - Im Streit über die polnische Justizreform fordert
die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley mehr Druck auf Warschau.
«Wir müssen weiter wachsam bleiben», sagte die Vizepräsidentin des

EU-Parlaments am Mittwoch in Straßburg. Das jüngste Gesetzesvorhaben
der nationalkonservativen Regierungspartei PiS zur Disziplinierung
von Richtern bedrohe die Anwendung europäischen Rechts in Polen. Die
EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof müssten schnell
handeln, sobald das Gesetz beschlossen sei.

Gegen Polen und auch Ungarn laufen derzeit Verfahren nach Artikel 7
des EU-Vertrags wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Grundwerte. Doch

kommen die Verfahren seit längerem kaum voran. Die Entwicklungen in
Ungarn würden sehr aufmerksam verfolgt, betonte EU-Kommissarin Vera
Jourova im EU-Parlament.

Wegen eines bereits umgesetzten Teils der polnischen Justizreform
hatte die EU-Kommission am Dienstag beim EuGH eine
einstweilige Verfügung beantragt. Hier geht es um die Besetzung der
polnischen Disziplinarkammer. Diese wird bislang mit zehn Mitgliedern
besetzt; die meisten sind Staatsanwälte aus dem Umfeld von
Justizminister Zbigniew Ziobro und andere PiS-nahe Juristen. Die
Kammer kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Die
EU-Kommission will nach den Worten eines Sprechers, dass der EuGH
einschreitet, weil die Gefahr eines unumkehrbaren Schadens bestehe.

Die Verfügung sei eine dringliche und notwendige Maßnahme gewesen,
sagte Jourova im Parlament. Polen sei ein rechtsstaatliches Land,
betonte die EU-Politikerin und Ex-Ministerpräsidentin Polens, Beata
Szydlo. «Wer etwas anderes behauptet, lügt.» Sie habe das Gefühl,
dass ein Dialog mit Polen gar nicht gewünscht sei, so Szydlo.

Seit die PiS 2015 in Polen an die Macht kam, hat sie das Justizwesen
massiv umgebaut. Die EU-Kommission hat mehrere
Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau eingeleitet und Klagen
beim EuGH erhoben. Die Debatte verdeutliche, wie schwach die EU
gegenüber anti-demokratischen Regierungen dastehe, sagte die deutsche
EU-Politikerin Cornelia Ernst (Linke).

Mit Blick auf das aktuelle Gesetzesvorhaben zur Disziplinierung von
Richtern ist die Behörde noch nicht so weit. Es sieht etwa vor, dass
Richter künftig mit Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung rechnen
müssen, wenn sie Legalität oder Entscheidungskompetenz eines anderen
Richters, eines Gerichts oder einer Kammer infrage stellen. Die
zuständige EU-Kommissarin Vera Jourova hatte Polen jüngst
aufgefordert, das Projekt auf Eis zu legen. SPD-Politikerin Barley
forderte, dass es beim künftigen EU-Haushaltsrahmen von 2021 bis 2027
die Möglichkeit geben müsse, Geld für Staaten zu kürzen, falls sie

sich nicht an europäische Grundwerte hielten.

Mit Blick auf Vorwürfe gegen Tschechiens Ministerpräsidenten Andrej
Babis forderten mehrere Abgeordnete mehr Transparenz bei der Vergabe
von EU-Geld. «Wer politische Entscheidungen über die Vergabe von
finanziellen Mitteln trifft, darf nicht gleichzeitig von diesen
profitieren», sagte die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier. Es müssten
klare Leitlinien für den Umgang mit Interessenkonflikten hochrangiger
Politiker festgelegt werden. Dem Multimilliardär Babis wird seit
langem vorgeworfen, zu Unrecht von EU-Fördermitteln profitiert zu
haben. Er weist die Vorwürfe jedoch zurück.

Auch die Grünen-Politikerin Viola von Cramon-Taubadel nannte die
Situation in Tschechien inakzeptabel. «Der Interessenkonflikt des
Andrej Babis ist beschämend und untergräbt die Glaubwürdigkeit der
Europäischen Union.»

Das Europaparlament will an diesem Donnerstag eine Resolution zu den
Strafverfahren gegen Polen und Ungarn verabschieden. In einem Entwurf
des Entschließungsantrags wurde kritisiert, dass bei den Anhörungen
der beiden Staaten noch keine «signifikanten» Fortschritte gemacht
worden seien.