Chamenei betont Einheit Irans - EU sieht Iran im Abkommensrahmen

18.01.2020 00:01

Nach dem Abschuss einer Passagiermaschine im Iran richteten sich die
jüngsten Proteste gegen die Regierung. Der oberste Führer Chamenei
betont beim Freitagsgebet nationale Einheit im Sinne der islamischen
Revolution. Die Europäer wollen nicht den Fehdehandschuh aufheben.

Teheran (dpa) - Die jüngsten Proteste im Iran haben nach Worten des
obersten iranischen Führers, Ajatollah Ali Chamenei, keine Auswirkung
auf den politischen Kurs des Landes. «Das iranische Volk (...) will
den Widerstand gegen die Weltmächte und keine Kapitulation, auch 41
Jahre nach der Revolution», sagte Chamenei beim Freitagsgebet in
Teheran. Er hatte zum ersten Mal seit acht Jahren wieder das
traditionelle Freitagsgebet geleitet.

«Wir haben keine Angst vor diplomatischen Verhandlungen», sagte
Chamenei. Mit den USA und unter Druck wolle man aber nicht
verhandeln. Deutschland, Frankreich und Großbritannien hätten mit
ihrem Verhalten - dem Anstoßen des Vermittlungsprozesses im
Atomabkommen - gezeigt, dass auch auf sie kein Verlass sei. «Wir
sollten nicht vergessen, dass sowohl Deutschland als auch Frankreich
den Irak im Krieg gegen uns (1980-88) unterstützt haben», sagte der
Ajatollah.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht den Iran bislang noch im
Rahmen des Atomabkommens agieren. Dass sich das Land nicht mehr an
Vorgaben gebunden fühle, heiße «noch lange nicht, dass Iran sie auch

tatsächlich verletzt», sagte er dem «Spiegel» (Freitag). «Wir
vertrauen weiterhin auf die Überprüfung durch die Inspekteure der
Internationalen Atomenergiebehörde in Iran.»

Das Atomabkommen soll dem Iran ein ziviles Atomprogramm ermöglichen,
aber eine atomare Bewaffnung unmöglich machen. Im Gegenzug sollten
Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. Der Iran hoffte auch einen
Aufschwung, der jedoch nicht kam. US-Präsident Donald Trump ordnete
am 8. Mai 2018 einen einseitigen Ausstieg aus dem Abkommen an und
ließ den Iran wieder mit harten Sanktionen belegen.

Trump und seinen Außenminister Mike Pompeo bezeichnet Chamenei in
seiner Rede als Clowns. Diese würden behaupten, sie stünden hinter
der iranischen Bevölkerung. «Sie lügen, auch wenn sie zum iranischen

Volk stehen würden, dann nur, um einen giftigen Dolch in die Brust
des iranischen Volkes zu stoßen», sagte Chamenei.

Trump kritisierte die Ausagen «des sogenannten «Obersten Anführers»

des Irans» am Freitag auf Twitter. «Er sollte sehr vorsichtig mit
seinen Worten sein!» Der US-Präsident schrieb, die Wirtschaft des
Irans breche zusammen, das Volk leide.

Chamenei forderte die Iraner auf, keine Kompromisse mit dem Ausland
einzugehen, sondern selbst stark zu werden. Die Abhängigkeit von
Ölexporten müsse verringert werden, damit internationale Sanktionen
und Einschränkungen geringere Auswirkungen auf das Land hätten.

Die Tötung des Al-Kuds-Kommandeurs Ghassem Soleimani bezeichnete er
als einen «feigen Terrorakt» der USA. Er würdigte die Reaktion der
Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) mit ihren Angriffen auf die
US-Stützpunkte in Irak. «Noch wichtiger als der mutige Militärschlag

gegen eine Weltmacht war der dadurch entstandene Imageschaden der
USA», sagte Chamenei.

Millionen Menschen seien zur Trauerfeier für den getöteten Soleimani
auf die Straße gegangen, sagte Chamenei. Einige Hunderte, die ihn mit
ihren Parolen beleidigt hätten, seien von feindlichen Medien im
Ausland getäuscht worden. Sie würden den Willen des Volkes nicht
ändern können, so der Ajatollah, der laut Verfassung das letzte Wort
in allen strategischen Belangen hat.

Nach dem versehentlichen Abschuss einer ukrainischen
Passagiermaschine durch das iranische Militär in der Nacht der
Vergeltungsschläge gab es die Tage darauf in Teheran und weiteren
Städten Proteste gegen den politischen Kurs im Land - viele der Opfer
waren Iraner. Den Absturz der ukrainischen Maschine bezeichnete
Chamenei als einen tragischen Vorfall, den er sehr bedauere.

Nach Medienangaben nahmen Zehntausende am Freitagsgebet teil und
bekräftigten die Aussagen Chameneis mit Parolen wie «Tod den USA» und

«Keine Kompromisse, keine Kapitulation, nur Kampf gegen die USA». Das
Freitagsgebet wurde auf mehreren TV-Kanälen übertragen.