Ischinger für Abkehr von Einstimmigkeitsprinzip in der EU

09.02.2020 01:00

Berlin (dpa) - Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang
Ischinger, hat sich für eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der
Europäischen Union ausgesprochen. Die EU müsse lernen, konsequent mit
einer Stimme zu sprechen. «Heute kann jedes Land alles blockieren.
Die Bundeskanzlerin hat sich für Mehrheitsentscheidungen
ausgesprochen (.). Warum legt die große Koalition denn dann keinen
Plan dafür in Brüssel vor», sagte Ischinger dem «Tagesspiegel am
Sonntag». «Wenn wir nicht schneller, klarer und mutiger bei
außenpolitischen Entscheidungen werden, dürfen wir uns nicht wundern,
dass wir bei Konflikten in unserer Nachbarschaft machtlos aussehen,
siehe Syrien, siehe Libyen.» Stattdessen fantasierten deutsche
Politiker gerne über eine europäische Armee. «Die macht aber erst
dann Sinn, wenn wir wirklich mit einer Stimme sprechen», sagte
Ischinger. Das weltweit renommierteste Expertentreffen zur
Sicherheitspolitik findet Ende kommender Woche in München statt.

Ähnlich äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in der

«Welt am Sonntag». Das Prinzip der Einstimmigkeit wirke viel öfter
wie ein lähmender Mühlstein denn als Schutz einzelner Mitgliedstaaten
davor, überstimmt zu werden, sagte der CDU-Politiker der Zeitung.
«Gerade jetzt nach der ersten Stufe des Brexits und angesichts der
großen Herausforderungen, die vor uns Europäern liegen, müssen wir
uns der Frage neu zuwenden, ob wir dem Prinzip der
Mehrheitsentscheidungen ein neues Gewicht geben.» Wenn die EU stärker
werden wolle, müsse in den europäischen Ministerrunden grundsätzlich

das Prinzip der Mehrheitsentscheidung gelten.