Gericht: Spanien darf weiter umgehend nach Marokko abschieben

13.02.2020 17:29

Straßburg (dpa) - Spanien darf nach Ansicht des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in seiner Exklave Melilla
Migranten bei Grenzübertritt umgehend nach Marokko zurückweisen.
Dieses Vorgehen verstoße nicht gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention, teilte die Große Kammer des Gerichtshofes
am Donnerstag in Straßburg mit. Sie widersprach damit einem Urteil
aus dem Jahr 2017. Darin hatte der EGMR entschieden, dass die
sogenannten «Push-backs» oder Kollektivausweisungen gegen die
Konvention verstoßen. Die spanische Regierung hatte danach beantragt,
dass der Fall an die Große Kammer des Gerichtshofs weitergeleitet
wird.

Die Beschwerde gegen Spanien hatten zwei Männer aus Mali und der
Elfenbeinküste im Februar 2015 beim EGMR eingereicht. Sie hatten den
Gerichtsunterlagen zufolge im August 2014 Stunden auf dem Grenzzaun
verbracht. Sie wurden dann von der spanischen Guardia Civil
festgenommen und ohne Verfahren oder Rechtsschutz nach Marokko
gebracht und dort den marokkanischen Grenzbeamten übergeben.

Die Beschwerde wurde vom European Center for Constitutional and Human
Rights (ECCHR) unterstützt. «Der EGMR verweigert Flüchtlingen und
Migranten alle Rechte», sagte Generalsekretär Wolfgang Kaleck nach
Bekanntwerden des Urteils. Die Entscheidung ignoriere die Realität an
den europäischen Grenzen und insbesondere die Situation der Afrikaner
südlich der Sahara an der spanisch-marokkanischen Grenze. Anwalt
Carsten Gericke, der die Männer vor Gericht vertrat, sprach von einer
dramatischen Kehrtwende des Gerichtshofs.

Die beiden Männer hätten sich selbst in die rechtswidrige Situation
gebracht, als sie mit vielen anderen Menschen auf den Zaun geklettert
seien, erklärte nun die EGMR-Kammer. Sie seien damit bewusst nicht
über einen legalen Weg eingereist. Spanien könne deshalb nicht dafür

verantwortlich gemacht werden, dass es kein Verfahren oder
Rechtsschutz in Melilla gab.

Der Umgang der EU mit Migranten an seinen Außengrenzen beschäftigen
den Gerichtshof immer wieder. Der EGMR gehört zum Europarat mit Sitz
in Straßburg. Die Staatenorganisation fördert die demokratische
Entwicklung in seinen 47 Mitgliedsländern. Die wichtigste Konvention
ist dabei die Europäische Menschenrechtskonvention. Diese müssen alle
Staaten vor ihrem Beitritt unterzeichnen. Der EGMR ist kein Gericht
der Europäischen Union.