Kabinett für Gutscheine bei abgesagten Veranstaltungen und Reisen

02.04.2020 16:48

Die Corona-Krise hat vielen Bürgern den Urlaub vermiest. Reisen
abgesagt, Flüge gecancelt - und die Fußball-Bundesliga auch. Die
Branche kann die vielen stornierten Tickets kaum erstatten. Jetzt
soll es eine andere Lösung geben - doch nur, wenn Brüssel zustimmt.

Berlin (dpa) - Bei abgesagten Reisen und Kultur- oder
Sportveranstaltungen sollen die Verbraucher nach dem Willen der
Bundesregierung Gutscheine statt einer sofortigen Rückzahlung
bekommen. Das «Corona-Kabinett» stimmte am Donnerstag einer
entsprechenden Lösung zu, wie die Deutsche Presse-Agentur aus
Regierungskreisen erfuhr. Bevor sie umgesetzt werden kann, muss sie
allerdings noch von der EU-Kommission abgesegnet werden. Neben
Deutschland wollen auf EU-Ebene viele weitere Mitgliedsstaaten
ähnlich vorgehen.

Die Gutscheine sollen bis Ende 2021 befristet sein und für alle
Tickets gelten, die vor dem 8. März gekauft wurden. Hat der Kunde
seinen Gutschein bis Ende 2021 nicht eingelöst, muss der Veranstalter
ihm den Wert erstatten. Geplant sind auch Härtefallklauseln für alle
Kunden, denen ein Gutschein wegen ihrer finanziellen Situation nicht
zumutbar ist.

Eigentlich ist bei abgesagten Pauschalreisen eine Erstattung
spätestens nach 14 Tagen Pflicht, bei abgesagten Flügen innerhalb von
7 Tagen. Viele Veranstalter konnten dies zuletzt aber nicht leisten,
da die deutsche Reise- und Luftverkehrsbranche stark unter den
Einschränkungen infolge der Coronavirus-Krise leidet.

Die Unternehmen hatten eine vorübergehende Aussetzung der
Erstattungspflicht gefordert. Ihren erheblichen Fixkosten stünden
praktisch keine Einnahmen mehr gegenüber, hieß es in einem Schreiben
von Branchenverbänden an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen. Wegen der Ausbreitung des Erregers Sars-CoV-2 seien Tourismus
und Luftverkehr fast vollständig zum Erliegen gekommen.

Die Gutscheinlösung soll nicht nur für Flüge und Pauschalreisen,
sondern auch etwa bei Tickets für Fußballspiele und Konzerte gelten.
Das beträfe nicht nur die Fußball-Bundesliga, sondern auch andere
Sportarten wie Handball, Basketball und Eishockey, wo die Ligen
ebenfalls pausieren oder die Saison beendet wurde.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, sprach
mit Blick auf die Gutscheinlösung von einem wichtigen Signal an die
Reisebranche, der im Falle von Rückzahlungen erhebliche
Liquiditätsengpässe drohen könnten. «In einem nächsten Schritt we
rden
wir nun auf die EU-Kommission zugehen, um die noch offenen
europarechtlichen Fragen zu klären. Wir behalten dabei natürlich auch
immer die berechtigten Interessen der Kunden im Blick.»

Verbraucherschützer lehnen die Gutscheinlösung ab. Die Kunden hätten

Vorkassezahlungen in dem Vertrauen geleistet, das Geld bei Absagen
zurückzuerhalten, erklärte der Vorstand des Verbraucherzentrale
Bundesverbands, Klaus Müller. «Diese sogenannten Gutscheine sind in
Wirklichkeit Zwangskredite der Verbraucher an die Unternehmen, für
die sie nicht mal Zinsen erhalten.» Dabei seien viele Bürger jetzt
genauso dringend auf liquide Mittel angewiesen wie die Unternehmen.

Die Reisebranche dagegen zeigte sich erleichtert. «Der Vorschlag der
Bundesregierung ist ein fairer Ausgleich zwischen der Notwendigkeit,
Liquidität in unseren Unternehmen zu halten, und den Interessen der
Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Reise dann tatsächlich
auch antreten können», erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verb
ands
der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Matthias von Randow. Der
Deutsche Reiseverband betonte: «Die Einigung der Bundesregierung
kommt gerade noch rechtzeitig für die vielen kleinen und
mittelständischen Reisebüros und Reiseveranstalter in Deutschland.»