Europastaatsminister Roth: Finanzielle Sanktionen gegen Ungarn prüfen

03.04.2020 09:32

Berlin (dpa) - Als Reaktion auf die Sondervollmachten für den
ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in der Corona-Krise hat
Europastaatsminister Michael Roth finanzielle Sanktionen ins Spiel
gebracht. «Es ist unserer Bevölkerung nicht zu erklären, dass Staaten

einen großen Teil ihrer öffentlichen Investitionen mit EU-Geld
finanzieren und dann die Prinzipien der EU verletzen», sagte der
SPD-Politiker im Gespräch mit der «Welt» (Freitag). Zuvor hatten sich

bereits Deutschland und 13 weitere Länder beunruhigt über die
Maßnahmen in Ungarn geäußert. Kritiker beklagen, damit werde gegen
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundwerte verstoßen.

Roth warb dafür, bei den aktuellen Verhandlungen über den EU-Haushalt
ab 2021 die Möglichkeit zu schaffen, solche Sanktionen mit
qualifizierter Mehrheit zu verhängen. SPD-Bundestagsfraktionschef
Rolf Mützenich sagte der «Rheinischen Post» (Freitag): «Bei der
Erstellung des Mehrjährigen Finanzrahmens für die EU, der in diesem
Jahr beschlossen werden muss, werden wir darauf achten, dass die
EU-Mittel nicht unabhängig von Rechtsstaatsdefiziten gezahlt werden.»

Europastaatsminister Roth sprach sich zugleich für einen von der
Bundesregierung angestoßenen Rechtsstaatsmechanismus aus, bei dem
künftig alle EU-Mitglieder turnusmäßig überprüft werden sollen, n
icht
nur solche, bei denen es mutmaßliche Verstöße gibt.

Der rechtsnationale Ministerpräsident Orban hatte sich am Montag vom
Parlament in Budapest mit umfassenden Sondervollmachten ausstatten
lassen. Sie könnten ihm ermöglichen, unbefristet auf dem
Verordnungsweg zu regieren. Während des Notstands dürfen keine Wahlen
und Referenden stattfinden. Die Verbreitung von Falschnachrichten
soll streng bestraft werden, so dass Journalisten um kritische
Berichterstattung fürchten. Mützenich sagte, die in dieser Woche von
Ungarn ergriffenen Notmaßnahmen entsprächen nicht demokratischen und
rechtsstaatlichen Grundsätzen. «Gerade in Krisenzeiten kann und muss
sich Demokratie beweisen», so der SPD-Fraktionschef.