Europäische Krisenhilfen: Drei-Säulen-Modell im Gespräch

03.04.2020 18:51

Die Corona-Pandemie stürzt viele europäische Staaten in die
Rezession. Wie kann die EU gemeinsam gegensteuern? Nach heftigem
Streit scheint man sich wieder anzunähern.

Berlin/Brüssel (dpa) - Trotz des bitteren Streits über Corona-Bonds
bahnt sich ein erster Kompromiss über europäische Finanzhilfen in der
Wirtschaftskrise an. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur
könnten sich die EU-Finanzminister kommende Woche zunächst auf die
Nutzung dreier bekannter Instrumente einigen und die Streitfrage
gemeinsamer europäischer Schulden bis zur «Wiederaufbau-Phase»
aufschieben. Am Freitag hieß es aber von Beteiligten: «Wir sind noch
nicht am Ziel.»

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plädierte in der
ZDF-Sendung «Was nun?» ebenfalls für Hilfen, die kurzfristig
verfügbar und konsensfähig sind: «In der Tat müssen wir alle die
Instrumente jetzt auf den Tisch legen, die wirksam sind, die wir
schnell einsetzen können und die Europa einen und nicht spalten.» Die
Details müsse die Eurogruppe klären.

Die EU-Staaten hatten sich bei einem Videogipfel vorige Woche über
die Frage zerstritten, ob Corona-Bonds - also gemeinsame europäische
Anleihen zur Finanzierung der EU-Staaten - in der Krise nötig sind.
Italien, Spanien und andere wollen sie, Deutschland, die Niederlande
sind dagegen. Die EU-Finanzminister sollen bis Dienstag neue Modelle
entwickeln.

Nach dpa-Informationen könnten Frankreich und Deutschland gemeinsam
ein Programm mit drei Pfeilern vorschlagen. Wie aus einer Vorlage für
die Minister hervorgeht, geht es einerseits um vorsorgliche
Kreditlinien des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, die schwer
getroffenen Eurostaaten wie Italien helfen könnten. Zum anderen soll
die Europäische Investitionsbank EIB mit bis zu 50 Milliarden Euro
Kredite nationaler Banken absichern. Drittes Element sind die von der
EU-Kommission vorgeschlagenen Hilfen von bis zu 100 Milliarden Euro
für Kurzarbeit in den EU-Staaten - das Konzept «Sure».

Von der Leyen warb im ZDF-Interview für «Sure», das sei ein
«einigender Vorschlag»: «Das ist gelebte europäische Solidarität.
»
Das Konzept sieht vor, dass die EU-Staaten Garantien über 25
Milliarden Euro zusagen. Mit dieser Rückendeckung will die
EU-Kommission 100 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen und als
Kredite an jene Staaten weitergeben, die sich selbst nicht so günstig
finanzieren könnten.

Zur Nutzung des Eurorettungsschirms ESM sagte von der Leyen, bei den
erwogenen Kreditlinien seien die Finanzminister «sehr tief im
Gespräch» über die damit verbundenen Bedingungen. Darüber werde
gerade verhandelt.

In dem Vorbereitungspapier für die Finanzminister heißt es, aus dem
ESM könnten die Mitgliedsstaaten Kredite in Höhe von maximal zwei
Prozent des Bruttoinlandsprodukts bekommen - unter der Voraussetzung,
dass die Mittel zur Bewältigung der Corona-Krise eingesetzt werden.
Das mögliche Programm der Europäischen Investitionsbank EIB soll
nationale Förder- und Geschäftsbanken bei kurzlaufenden
Betriebsmittelkrediten und Brückenfinanzierungen bis zu 80 Prozent
absichern.

EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis bestätigte am Freitag,
dass an einer Nutzung des ESM gearbeitet werde. «Wir sind der
Ansicht, dass er unter den jetzigen Bedingungen genutzt werden
sollte», fügte er hinzu. Auf eine Frage nach Corona-Bonds sagte
Dombrovskis: «Wir prüfen alle politischen Möglichkeiten.» Er betont
e
jedoch, dass vor allem dem nächsten europäischen Haushaltsrahmen
besondere Bedeutung zukomme. «Das wird unser Marshall-Plan, um die
Erholung zu finanzieren.»

Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte beharrt dagegen auf
gemeinsamen europäischen Bonds und spricht nun von «Europäischen
Wiederaufbau-Anleihen». In einem italienischen Text für «La
Repubblica» benutzte er das englische Wort «European Recovery Bonds».

Der Begriff «Corona-Bonds» fiel nicht. Kritiker der Bonds führen auch

an, dass ihre Einführung einen langen Vorlauf hätte.

Conte dankte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen insbesondere
für den Vorschlag des Kurzarbeiter-Programms «Sure». Doch das reiche

nicht, nötig sei ein gemeinsamer Aufbau-Plan.