EU-Kommissar an Facebook-Chef: Müssen uns nicht anpassen

18.05.2020 20:22

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission signalisiert eine harte Position
gegenüber großen Online-Plattformen bei der aktuell vorbereiteten
Regulierung. «Wir schätzen Ihr Geschäft. Aber nicht wir sollten uns
an Sie anpassen, sondern vielmehr umgekehrt», sagte EU-Kommissar
Thierry Breton am Montag in einem gemeinsamen Videointerview mit
Facebook-Chef Mark Zuckerberg. «Natürlich arbeiten wir an einer
Ex-Ante-Regulierung» - also einem Regelwerk, dass mit Vorab-Vorgaben
ins Marktgeschehen eingreift und nicht erst nachträglich reagiert.
Das habe schon in der Telekommunikationsindustrie funktioniert, sagte
Breton. Die Plattform-Regulierung soll bis Jahresende stehen.

Zuckerberg betonte auch mit Blick auf die Corona-Krise, dass
Online-Plattformen und Regierungen stärker kooperieren müssten. Ein
«neuer digitaler Deal» sei unvermeidlich. Die Bedeutung der Branche
werde nach der Pandemie wachsen: «Ich denke, Geschäfte und Leben
werden in größerem Maße online geführt werden, wenn das überwunde
n
ist.» Er verwies auf eine schnelle Reaktion von Facebook, nachdem
Breton zur Entlastung der Netze eine reduzierte Bildqualität in
Videochats angemahnt habe, sowie darauf, dass Facebook
Hunderttausende Beiträge mit gefährlichen Falschinformationen über
das Coronavirus entfernt habe.

Der Facebook-Chef zeigte sich zugleich - wie schon bei Auftritten im
US-Kongress - besorgt, dass sich bei einer harten Regulierung
amerikanischer Online-Firmen das Wertesystem der chinesischen
Internet-Industrie global erfolgreicher werde. «Ich denke, das ist
sehr gefährlich und es bereitet mir Sorgen.»

Breton, der in seiner Karriere in der Wirtschaft unter anderem Chef
des französischen Technologiekonzerns Atos war, gab dem 36-jährigen
Milliardär Zuckerberg auch eine Lektion in guter Unternehmensführung
mit auf den Weg. Der Chef einer großen Firma habe es mit vielen
interessierten Seiten zu tun und müsse sich mit Beratern und Gremien
umgeben, die ihm deren Anliegen vermitteln könnten, sagte der
65-jährige Franzose in dem von der Brüsseler Denkfabrik Cerre
organisierten Gespräch. «Am Ende des Tages ist die Aufgabe des Chefs,
sich alle anzuhören und eine Entscheidung zu treffen. Und am Ende des
Tages ist es Mark, der verantwortlich sein wird, niemand sonst.»