Widerstand gegen Wiederaufbau-Plan von Merkel und Macron nach Corona

19.05.2020 04:45

500 Milliarden Euro wollen Merkel und Macron für die von Corona stark
gebeutelten EU-Staaten lockermachen. Der Süden ist happy über die
geplanten EU-Hilfen, der Norden not amused. Das erneuerte
deutsch-französische Tandem muss kämpfen.

Berlin (dpa) - Um notleidenden EU-Staaten nach der Corona-Krise
aufzuhelfen, wollen Deutschland und Frankreich ein europäisches
Hilfspaket mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro schnüren. Wenn
es nach Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron geht, soll es dafür eine massive Schuldenaufnahme über den
EU-Haushalt geben. Krisenstaaten wie Italien oder Spanien könnten
Zuschüsse bekommen. Merkel sagte am Montag, dies sei eine
«außergewöhnliche, einmalige Kraftanstrengung» - Berlin hatte sich

lange gegen gemeinsame Schulden über den EU-Haushalt gesträubt.

Doch gegen den deutsch-französischen Plan regt sich bereits
Widerstand. Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden pochen
darauf, dass die EU nur rückzahlbare Kredite und keine Zuschüsse
ausgibt. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte am Abend, er habe
sich mit den Regierungschefs der Niederlande, Dänemarks und Schwedens
ausgetauscht. «Unsere Position bleibt unverändert», schrieb Kurz auf

Twitter. Für Merkel und Macron ist das ein Problem, denn: Der Plan
muss von allen 27 EU-Staaten einstimmig beschlossen werden.

An diesem Dienstag will Merkel in einer Videokonferenz mit den
Regierungschefs von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei für
die Hilfspläne werben. Worum es genau geht:

GEMEINSAM IN DIE ROTEN ZAHLEN: Der Wiederaufbau soll über Kredite
finanziert werden, die die EU-Kommission als Schulden am Kapitalmarkt
aufnimmt. Die EU-Staaten müssten dafür in der nächsten mehrjährigen

gemeinsamen Finanzplanung Garantien geben. Denn wenn die Länder
gemeinsam geradestehen, können sie zu günstigeren Konditionen Geld
leihen, als das vielen Regierungen im Alleingang möglich wäre.

FINANZSPRITZEN FÜR KRISENSTAATEN: Besonders betroffene Branchen und
Regionen sollen Zuwendungen aus dem Fonds erhalten - keine Kredite.
Die Empfängerstaaten müssen das Geld also nicht wieder
zurücküberweisen. Indirekt werden sie allerdings doch mit zur Kasse
gebeten, denn sie zahlen weiterhin in den EU-Haushalt ein, aus dem
die Schulden über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren wieder
abgestottert werden. Wie viel ein Land hier zahlt, hängt von der
Wirtschaftskraft ab. Deutschland ist mit einem Anteil von ungefähr 27
Prozent der größte Netto-Beitragszahler. Finanzschwächere Staaten
profitieren also unter dem Strich besonders.

ZIELE: Das Geld soll verhindern, dass Regionen in der Corona-Krise
völlig abgehängt werden. Es soll insbesondere den Wandel zu einer
digitaleren und umweltverträglicheren Wirtschaft fördern sowie
Forschung und Innovation.

HAUSHALTSREGELN: Deutschland hat sich lange gegen solche gemeinsamen
Schulden über den EU-Haushalt gewehrt. Gemeinsame Anleihen
(«Corona-Bonds») lehnte die Bundesregierung ab. Die Finanzierung über

den EU-Haushalt bedeutet nun, dass die üblichen EU-Haushaltsregeln
gelten, nur Projekte finanziert werden und nicht etwa der
Staatshaushalt einzelner Mitgliedsstaaten. Der Unterschied zu
Corona-Bonds ist auch, dass die gemeinsame Haftung für die Schulden
begrenzt ist auf den Umfang der Garantien im Haushalt.

BISHERIGE HILFEN: Ein erstes Paket mit Kredithilfen von bis zu 540
Milliarden Euro war von den EU-Staaten bereits Anfang April
vereinbart worden. Beim geplanten Fonds geht es um längerfristige
Unterstützung beim Wiederaufbau.

FREUNDE DES PLANS: Zumindest aus Brüssel kam prompter Beifall. «Dies
geht in die Richtung des Vorschlags, an dem die Kommission arbeitet»,
erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die
EU-Staaten hatten sie im April beauftragt, ein Modell für den
Wiederaufbauplan zu erarbeiten. Der Vorschlag soll am Mittwoch
kommender Woche vorgestellt werden. EU-Ratspräsident Charles Michel
sprach von einem Schritt in die richtige Richtung und forderte
Kompromisswillen von allen 27 EU-Staaten.

Italien und Spanien sehen die Initiative von Merkel und Macron
positiv. Es gebe aber noch Verbesserungspotenzial, hieß es in
Regierungskreisen in Rom. Der spanische Ministerpräsident Pedro
Sánchez schrieb auf Twitter von einer «Initiative, die auf einer
Linie mit unseren Forderungen ist und bei der wir weiter
vorwärtskommen müssen».

GEGNER DES PLANS: Einige EU-Länder, darunter die Niederlande und
Österreich, haben weiter Vorbehalte dagegen, gemeinsame Schulden
aufzunehmen und dieses Geld als Zuwendung an Krisenregionen zu geben.
Die als Kredit aufgenommenen Mittel dürften auch nur als Kredit
weitergereicht werden, hieß es zum Beispiel am Montag von Seiten der
österreichischen Regierung. Hier ist noch Überzeugungsarbeit nötig.
Denn der Plan muss von allen 27 Staaten einstimmig beschlossen
werden, weil er mit dem siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen verknüpft
ist. Die Erhöhung der Eigenmittelobergrenze muss zudem in allen 27
Staaten ratifiziert werden, in Deutschland vom Bundestag.

WAS SAGEN DIE OSTEUROPÄER: Merkels osteuropäischen Gesprächspar
tner
aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien nähme der
deutsch-französische Plan zumindest eine Hauptsorge: Die Planung der
Mittel im nächsten mehrjährigen EU-Haushalt, der dieses Jahr
aufgestellt werden muss, soll nicht berührt sein. Das ist gerade für
die osteuropäischen Staaten als Empfänger umfangreicher
Strukturhilfen bedeutsam.