Neue Steuern für Corona-Wiederaufbau? Plan der EU-Kommission erwartet

26.05.2020 17:45

Gegen die dramatische Rezession will die EU gemeinsam mit Hunderten
von Milliarden ankämpfen - so viel ist klar. Vieles ist aber noch
umstritten. Am Mittwoch soll EU-Kommissionschefin von der Leyen eine
Kompromisslinie aufzeigen.

Brüssel (dpa) - Für den Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise will
die EU-Kommission neue Einnahmen aus Steuern und Abgaben für die
Europäische Union fordern. Das soll helfen, das mehrere Hundert
Milliarden schwere Programm zur wirtschaftlichen Erholung zu
finanzieren. Diese Informationen der «Financial Times» wurden der
Deutschen Presse-Agentur am Dienstag von mehreren Quellen bestätigt.
Konkret geht es um eine mögliche Ausweitung des Europäischen
Emissionshandels, eine Digitalsteuer oder eine Plastikabgabe.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will am Mittwoch ihren mit
Spannung erwarteten Corona-Wiederaufbauplan vorstellen, verknüpft mit
dem nächsten siebenjährigen EU-Budget. Vorige Woche hatten
Deutschland und Frankreich vorgeschlagen, die EU-Kommission solle 500
Milliarden Euro Kredit aufnehmen und als Zuwendungen an Krisenstaaten
und -branchen vergeben. Die Schulden sollen über Jahrzehnte aus dem
EU-Budget gemeinsam getilgt werden.

Von der Leyen plant, so viel ist bekannt, einen ähnlichen Vorstoß:
Auch sie will mehrere Hundert Milliarden Euro am Kapitalmarkt
aufnehmen - die genaue Summe hielt die Kommission bis zuletzt unter
Verschluss - und zum Großteil als Zuschüsse für Investitionen zur
wirtschaftlichen Erholung vergeben. Dies soll gleichzeitig einen
Schub für eine grünere und digitalisierte Wirtschaft geben. Die neuen
Einnahmen sollen helfen, die gemeinsamen Schulden abzubezahlen.

Dagegen kommt Widerspruch aus Österreich, den Niederlanden, Dänemark
und Schweden - genannt die «sparsamen Vier». Sie wollen gemeinsam
aufgenommene Kredite nur als Kredithilfen verteilen, die von den
Empfängern zurückgezahlt werden müssten. Allerdings signalisieren
Dänemark und Österreich inzwischen Kompromisswillen.

Der deutsche Europastaatsminister Michael Roth wies das Konzept der
«sparsamen Vier» zurück. «Wir können nicht alleine nur Kredite
gewähren», sagte der SPD-Politiker. Auch der CDU-Außenpolitiker
Norbert Röttgen sagte in der «Passauer Neuen Presse»: «Es ist keine

Lösung, Ländern wie Spanien und Italien, deren zentrales
finanzpolitisches Problem eine zu hohe Verschuldung ist, einfach neue
Schulden anzubieten, sondern eine Verschärfung der Situation.
Deswegen ist es eine Provokation.»

Die Bundesregierung hatte es bis vor kurzem selbst noch abgelehnt,
kreditfinanziertes Geld als Zuwendungen auszuteilen. Angesichts des
historischen Wirtschaftseinbruchs änderte Bundeskanzlerin Angela
Merkel ihre Position. Hintergrund ist die Sorge um den Zusammenhalt
der EU, aber auch die Furcht, dass der EU-Binnenmarkt in Schieflage
geraten könnte. Verarmen die EU-Partner, verliert die deutsche
Wirtschaft Absatzmärkte.

Da Deutschland am 1. Juli für sechs Monate den Vorsitz der EU-Staaten
übernimmt, kommt Merkel eine besondere Rolle bei der Überwindung der
Krise zu. Linken-Europapolitiker Martin Schirdewan lobte die
Kehrtwende der CDU-Politikerin. «Das ist eines ihrer spektakulären
politischen Manöver», sagte Schirdewan. Die Ratspräsidentschaft sei
«ihre Chance, ihr europapolitisches Erbe zu definieren».

Zu Beginn der Pandemie hatten mehrere Länder der Bundesrepublik
mangelnde Solidarität vorgeworfen, allen voran Italien. Inzwischen
kommen auch von dort lobende Stimmen, ebenso wie aus Griechenland.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte Bild-TV, er habe großen
Respekt vor Merkel. Sie betrachte die gegenwärtige Lage als einen
«Moment, der das Vermächtnis der Europäischen Union
bestimmen wird»

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier telefonierte am Dienstag mit
seinem italienischen Kollegen Sergio Mattarella und betonte
anschließend: «Selten hat eine Krise so deutlich gemacht, was für
eine Schicksalsgemeinschaft wir in der EU sind.» Die
deutsch-französische Initiative sei ein notwendiges Signal.

Hinter den deutsch-französischen Plan stellten sich am Dienstag auch
die Parlamentspräsidenten Deutschlands und Frankreichs, Wolfgang
Schäuble und Richard Ferrand. «Deutschland und Frankreich sollten aus
der Krise lernen und sie gemeinsam als Chance zu neuer Dynamik
innerhalb der Europäischen Union nutzen», schrieben sie in einer
gemeinsamen Erklärung.