EU-Kommission: 750 Milliarden Euro für Wiederaufbauprogramm

27.05.2020 11:44

Nicht kleckern, sondern klotzen: Wochenlang machte die EU-Kommission
aus ihrem Corona-Konjunkturprogramm ein Geheimnis. Jetzt sind die
wichtigsten Zahlen klar.

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission will nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur 750 Milliarden Euro für die wirtschaftliche
Erholung Europas nach der Corona-Krise mobilisieren. Davon sollen 500
Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuwendungen und 250 Milliarden
Euro als Kredite fließen, wie die dpa am Mittwoch aus informierten
Kreisen in Brüssel erfuhr. Dafür sollen im Namen der Europäischen
Union über Anleihen Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen und über
Jahrzehnte gemeinsam getilgt werden.

Damit fällt das von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
entworfene Konjunkturprogramm noch deutlich größer aus als eine
deutsch-französische Initiative für ein 500-Milliarden-Euro-Paket.
Daneben will von der Leyen einen regulären mehrjährigen Finanzrahmen
für die Jahre 2021 bis 2027 im Umfang von rund einer Billion Euro
vorschlagen.

Von der Leyen will den Plan am Nachmittag offiziell in einer Rede im
Europaparlament vorstellen. Anschließend müssen die 27 EU-Staaten
darüber beraten. Nötig wäre eine einstimmige Billigung des
Haushaltsplans und des Wiederaufbauprogramms. Vorher werden jedoch
wochenlange Debatten erwartet.

Mit dem Wiederaufbauplan soll die schlimmste Rezession in Europa seit
dem Zweiten Weltkrieg bewältigt werden. Wegen des zeitweiligen
Stillstands während der Pandemie wird die Wirtschaft in der EU nach
einer offiziellen Prognose dieses Jahr um 7,4 Prozent schrumpfen.
Einige Länder wie Italien, Spanien und Griechenland sind besonders
hart getroffen. Die EU-Staaten haben bereits ein gemeinsames
Sicherheitsnetz mit Kredithilfen von bis zu 540 Milliarden Euro
gespannt.

Das Programm zur wirtschaftlichen Erholung im Rahmen des
Haushaltsplans ist nun der nächste Schritt. Das Neue: Die über
Kredite finanzierten Mittel sollen überwiegend als Zuwendungen an die
EU-Staaten vergeben werden, die nicht die Empfänger, sondern alle
gemeinsam zurückzahlen.

Vorige Woche hatten Deutschland und Frankreich vorgeschlagen, die
EU-Kommission solle mit Hilfe von Garantien der EU-Staaten 500
Milliarden Euro Kredit aufnehmen und als Zuwendungen an Krisenstaaten
und -branchen vergeben. Die deutsche Position wird besonders
aufmerksam beobachtet, weil die Bundesrepublik die stärkste
Volkswirtschaft und der größte Nettozahler der EU ist. Darüber hinaus

übernimmt Deutschland zum 1. Juli für sechs Monate den Vorsitz der
EU-Länder. Damit kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel eine besondere
Rolle bei der Bewältigung der Krise zu.

Von der Leyens Wiederaufbauplan ähnelt dem deutsch-französischen
Konzept. Auch von der Leyen will das Programm mit Krediten
finanzieren. Dafür sollen die EU-Staaten mit Beitragszusagen zum
Haushalt garantieren. Im Fachjargon: Die Eigenmittelobergrenze soll
drastisch erhöht werden. Die Schulden sollen dann über Jahrzehnte aus
dem EU-Budget abgestottert werden. Dabei sollen nach dem Willen der
EU-Kommission neue eigene Einnahmen für die EU aus Steuern und
Abgaben helfen. Im Gespräch ist eine Ausweitung des Europäischen
Emissionshandels sowie eine Digitalsteuer oder eine Plastikabgabe.

Dass aus Krediten stammendes Geld als Zuwendung und nicht nur als
rückzahlbares Darlehen an Krisenstaaten fließen soll, stößt bei
einigen EU-Ländern auf Widerstand. Österreich, die Niederlande,
Schweden und Dänemark - die «Sparsamen Vier» - haben gemeinsam
Einspruch erhoben.

Die Europa-Grünen drängten die Bundesregierung, während der deutschen

Ratspräsidentschaft die übrigen EU-Staaten vom Wiederaufbauplan zu
überzeugen. Dass sich Merkel hinter ein kreditfinanziertes
Konjunkturprogramm gestellt habe, sei ein großer Schritt nach vorn
gewesen, lobte die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, Ska
Keller. «Jetzt geht es darum, eine Mehrheit dafür zu gewinnen bei den
Treffen des Europäischen Rats.»