Drei Kandidaten für den Vorsitz der Eurogruppe

09.07.2020 05:10

Brüssel (dpa) - Nach dem Rückzug des portugiesischen Finanzministers
Mario Centeno vom Vorsitz der Eurogruppe stellen sich am Donnerstag
drei mögliche Nachfolger zur Wahl:

Nadia Calviño

Spaniens Wirtschaftsministerin und Vize-Regierungschefin hat vor
ihrem Regierungsamt langjährige Erfahrungen in der EU-Kommission
gesammelt. Die studierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlerin und
Mutter von vier Kindern war in Brüssel unter anderem
Generaldirektorin für Haushaltsplanung. Als Ministerin profilierte
sie sich zuletzt in der Debatte um EU-Milliardenpakete in der
Corona-Krise.

Die 51-Jährige wäre die erste Frau an der Spitze des einflussreichen
Gremiums. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) soll große Stücke
auf die Spanierin halten. Für Calviño spricht zudem, dass sie wie der
scheidende Eurogruppenchef Centeno aus einer sozialdemokratischen
Partei und aus einem Land im Süden der EU kommt. Ihre Wahl würde
somit das komplizierte Gleichgewicht zwischen Nord und Süd und
zwischen den politischen Lagern nicht verändern.

Paschal Donohoe

Der 45-jährige Politiker der bürgerlichen Partei Fine Gael ist seit
Juni 2017 Finanzminister seines Landes und war vorher unter anderem
Verkehrs- und Europaminister. Seine Zukunft schien während der
langwierigen irischen Regierungsbildung zeitweise unsicher. Erst
kürzlich einigten sich seine Fine Gael mit der ebenfalls bürgerlichen
Fianna Fail und den Grünen auf einen Koalitionsvertrag. Die
christdemokratische Parteienfamilie Europäische Volkspartei stellte
sich hinter seine Kandidatur.

Der verheiratete Vater zweier Kinder hat einen Abschluss in Politik
und Wirtschaft von der University of Dublin. In seiner Bewerbung
beschrieb er sich als «starke irische und europäische Stimme im
Zentrum der EU Wirtschaftspolitik» und als Brückenbauer. Sein Land
war in der Eurokrise zeitweise auf Hilfen der Europartner angewiesen.
Durch die EU-Mitgliedschaft hätten sich Wirtschaft und Gesellschaft
Irlands so stark verändert, dass sie kaum wiederzuerkennen seien,
schrieb Donohoe.

Pierre Gramegna

Der 62-jährige Liberale bringt von den drei Bewerbern die meiste
Regierungserfahrung mit: Seit Dezember 2013 ist er Finanzminister von
Luxemburg, das mit einer lange sehr liberalen und umstrittenen
Steuerpolitik Investoren aus aller Welt anzog. Der verheiratete Vater
zweier Kinder hat unter anderem in Paris Wirtschaft und Recht
studiert und war zeitweise Diplomat für sein Land. Er wirbt für sich
als Reformpolitiker: Er habe auf einen ausgeglichenen Haushalt
hingearbeitet und das luxemburgische Steuerrecht mit internationalen
Transparenzregeln in Einklang gebracht.

In seiner Bewerbung hieß es auch, in der beispiellosen Corona-Krise
sei mehr Solidarität gefordert, um eine gleichmäßige wirtschaftliche

Erholung in Europa zuwege zu bringen. Auch Gramegna spricht vom
Brückenbauen: «Als Präsident der Eurogruppe würde ich den Konsens
suchen und darauf abzielen, Brücken zwischen Norden und Süden, Osten
und Westen zu bauen und dabei kleine und große Mitgliedsstaaten
gleichermaßen fair zu behandeln.»