Merkel und Macron demonstrieren Einigkeit bei Krisenbewältigung

29.06.2020 20:20

Nach fast vier Monaten voller Videokonferenzen empfängt die Kanzlerin
wieder einen Gast aus dem Ausland in Deutschland. Na wen wohl? Den
französischen Präsidenten Macron natürlich, ihren wichtigsten
Verbündeten für die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft.

Meseberg (dpa) - Kurz vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
haben Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron Einigkeit bei der Bewältigung der Corona-Krise demonstriert.
Im Ringen um ein Programm für den wirtschaftlichen Wiederaufbau wolle
man gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, «dass wir einen positiven
Impuls in die richtige Richtung für die europäische Zukunft geben»,
sagte Merkel am Montag bei einem Treffen mit Macron auf Schloss
Meseberg bei Berlin. Der französische Präsident forderte eine
Einigung auf das Programm bereits im Juli. «Dies ist unsere oberste
Priorität.»

Macron und Merkel hatten im Mai einen Hilfsfonds in Höhe von 500
Milliarden Euro vorgeschlagen, um die europäische Wirtschaft aus der
Corona-Krise zu bringen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
präsentierte anschließend einen schuldenfinanzierten Wiederaufbauplan
mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Davon sollen 500
Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite an
EU-Staaten vergeben werden. Verhandelt wird der Plan zusammen mit dem
nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen, für den die Kommission 1,1
Billionen Euro ansetzt.

Merkel und Macron werben unter den anderen EU-Mitgliedsstaaten für
diesen Plan. Die Kanzlerin betonte die Bedeutung des
deutsch-französischen Zusammenhalts in dieser und in anderen Fragen.
«Wenn Deutschland und Frankreich einig sind, ist nicht Europa sich
einig. Aber wenn Deutschland und Frankreich sich uneinig sind, dann
ist es mit der Einigkeit Europas nicht besonders gut bestellt.»

Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark - die «Sparsamen
Vier» - lehnen Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen,
jedoch ab. Merkel warnte vor einer Verwässerung des Programms. «Für
mich ist wichtig, dass wir zum Schluss mit einem starken Instrument
aus der Debatte kommen», sagte die CDU-Politikerin. Natürlich werde
es Änderungen am Vorschlag der EU-Kommission geben. «Aber es muss ein
Fonds bleiben, der hilft, der wirklich auch den Ländern hilft, die
sonst drohen, von der Krise sehr viel stärker betroffen zu sein.»

Auch Macron betonte: «Es ist wichtig, dass der Wiederaufbaufonds
Wirkung zeigt.» Im Zentrum stünden Haushaltszuschüsse, denn diese
zeigten Wirkungen auf die sehr stark von der Corona-Krise betroffenen
Volkswirtschaften. Darlehen und Kredite erhöhten nur die Verschuldung
und hätten wenig Auswirkungen.

Einen gemeinsamen Vorschlag für den Finanzrahmen bis 2027 wollen die
beiden nicht vorlegen. Das überlassen sie dem EU-Ratspräsidenten
Charles Michel. Die nächste Gelegenheit für eine Einigung auf beide
Finanzfragen ist der EU-Gipfel Mitte Juli in Brüssel.

Die Bundesregierung würde gerne bei diesem Gipfel mit einem
Kompromiss den Grundstein für eine erfolgreiche Präsidentschaft
legen, der ersten seit 13 Jahren. Für Merkel ist es etwa ein Jahr vor
dem Ende ihrer Amtszeit noch einmal eine Chance, sich als große
Europäerin in die Geschichtsbücher einzutragen. Mit ihrem Agieren
während der Euro-Krise und bei der Aufnahme hunderttausender
Flüchtlingen 2015 hatte sie sich den Vorwurf eingehandelt, Europa
auseinanderzudividieren.

Macrons Besuch war der erste eines ausländischen Staatschefs bei der
Kanzlerin seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Zuletzt war der
portugiesische Ministerpräsident António Costa am 11. März bei ihr im

Kanzleramt. Seitdem gab es nur noch Videokonferenzen und Telefonate.
Auslandsreisen hat die Kanzlerin im Gegensatz zu Außenminister Heiko
Maas (SPD) bis heute nicht wieder unternommen.

Die Erwartungen an die deutsche Präsidentschaft sind hoch. Neben den
Finanzfragen gilt es auch den Brexit zu regeln und bei den Themen
Klimaschutz und Digitalisierung voranzukommen.