Streit mit Babis: Mitglied des Europaparlaments unter Polizeischutz

30.06.2020 18:36

Eine Kontrollreise des EU-Parlaments nach Tschechien hat ernste
Folgen. Ein Abgeordneter muss um seine Sicherheit fürchten.
Ministerpräsident Babis hatte ihn als «Vaterlandsverräter»
bezeichnet.

Brüssel/Prag (dpa) - Nach Kritik am tschechischen Ministerpräsidenten
Andrej Babis ist ein Mitglied des Europaparlaments bedroht und
deshalb unter Polizeischutz gestellt worden. Dies erwähnte der
EU-Parlamentspräsident David Sassoli am Dienstag in einem Brief an
Babis und äußerte große Besorgnis.

Der tschechische EU-Abgeordnete Tomas Zdechovsky bestätigte der
Deutschen Presse-Agentur, dass er Todesdrohungen erhalte. Diese seien
auch gegen seine Familie und Kinder gerichtet. Seitdem Babis ihn Ende
Februar öffentlich als «Vaterlandsverräter» bezeichnet habe, seien

Tausende Schmähbriefe eingegangen.

Das zeuge von einer mangelnden politischen Kultur in Tschechien,
kritisierte der Christdemokrat. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass
die deutsche Bundeskanzlerin so über Oppositionspolitiker sprechen
würde», sagte der 40-Jährige. Babis habe es zudem abgelehnt, sich f
ür
seine Wortwahl bei ihm zu entschuldigen.

Zdechovsky war Ende Februar mit einer Ausschussdelegation nach
Tschechien gereist, um dort mit Regierung, Journalisten und
Vertretern der Zivilgesellschaft zu sprechen. Dabei ging es um den
mutmaßlichen Interessenkonflikt des Ministerpräsidenten Babis als
Unternehmer und Nutznießer von EU-Subventionen. Auch andere
Mitglieder der Delegation berichteten von Drohungen. Die
CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier, Chefin des
Haushaltskontrollausschusses, wurde demnach in Briefen beschimpft.

Das Europaparlament hatte vor wenigen Tagen per Resolution gefordert,
Babis wegen möglicher Interessenkonflikte von EU-Haushaltsgesprächen
auszuschließen. Kritiker werfen dem Milliardär vor, über ein von ihm

gegründetes Firmengeflecht von EU-Subventionen zu profitieren. Babis
wies die Parlamentsresolution zurück und wertete sie als Einmischung
in die inneren Angelegenheiten seines Landes.

Dazu schrieb Sassoli, das Europaparlament sei Haushaltsbehörde und
Kontrollinstanz. In dem Zusammenhang sei auch die Resolution zu
sehen. Es sei ein Akt, «der sich aus seinen Befugnissen der
Haushaltskontrolle und der demokratischen Kontrolle ergibt und der
von allen EU-Akteuren mit größtem Respekt zu betrachten ist». Auch
der Haushaltskontrollausschuss werde seine Pflichten gemäß seinem
Mandat weiter ausüben.