Weitere Hilfsmilliarden: Staat will Corona-Pleitewelle verhindern Von Andreas Hoenig und Ansgar Haase, dpa

08.07.2020 15:55

Mit Überbrückungshilfen will der Staat Jobs im Mittelstand sichern.
Die Hilfen sind bis Ende August befristet - der Wirtschaftsminister
stellt aber eine Verlängerung in Aussicht. Aus Brüssel kommt grünes
Licht für ein anderes großes Hilfsprogramm.

Berlin/Brüssel (dpa) - Für viele Firmen mit Tausenden von
Beschäftigten ist die Corona-Krise noch längst nicht vorbei - ganz im
Gegenteil: Trotz der Corona-Lockerungen kommt das Geschäft nicht in
Gang, das Eigenkapital schmilzt. Bei Schaustellern, Clubs oder
Messe-Veranstaltern steht das Geschäft weitgehend still,
Betriebskosten wie Mieten oder Pachten aber müssen weiter gezahlt
werden. Um eine Pleitewelle zu verhindern und Jobs zu sichern, ist am
Mittwoch ein weiteres Milliardenprogramm des Bundes gestartet.
Zugleich gab die EU-Kommission grünes Licht für einen Fonds, mit dem
der Staat sich notfalls auch an Firmen beteiligen kann - wie bei der
Lufthansa. Weitere Unternehmen könnten folgen.

Bei den Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Firmen
im
Volumen von insgesamt 25 Milliarden Euro geht es um Zuschüsse, die
nicht zurückgezahlt werden müssen. In einem ersten Schritt können
sich seit Mittwoch auf einer Online-Plattform Steuerberater oder
Wirtschaftsprüfer registrieren, die für Firmen die Anträge einreichen

müssen. Damit sollen Betrugsfälle wie bei den Corona-Soforthilfen
verhindert werden. Ab dem 10. Juli sollen Firmen die Anträge dann
stellen können, wie die federführenden Bundesministerien mitteilten.
Die Auszahlung der Hilfen erfolgt über die Länder.

Das Programm richtet sich an Firmen, die weiter erhebliche
Umsatzeinbußen haben. Die Zahlungen sind je nach Umsatzausfall
gestaffelt. Erstattet werden fixe Betriebskosten bis zu einem Betrag
von 150 000 Euro - also Kosten wie Mieten und Pachten. Die
Überbrückungshilfen als zentraler Bestandteil des Konjunkturpakets
der schwarz-roten Koalition sollen für die Monate Juni bis August
gewährt werden - für Branchen wie etwa das Hotel- und
Gaststättengewerbe, Clubs und Bars, Reisebüros und Schausteller.

Mit Blick auf entsprechende Forderungen von Wirtschaftsverbänden
sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), ab der zweiten
Augusthälfte werde es darum gehen, ob die Hilfen verlängert würden.
Altmaier hatte sich dafür eingesetzt, dass das Programm länger läuft,

konnte sich damit in der Koalition aber nicht durchsetzen.

Der Staat hatte in der Krise bereits umfassende Programme
beschlossen,um Firmenpleiten zu verhindern und Jobs zu sichern.
Darunter waren etwa Sonderkredite und Soforthilfen. Der Bund hatte
dafür Milliarden neuer Schulden aufgenommen. Mit den
Überbrückungshilfen besserte die Koalition nach, nachdem auch
Wirtschaftsverbände weitere Unterstützung gefordert hatten.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertag, Eric
Schweitzer, verwies darauf, dass laut Umfragen noch immer rund 20
Prozent der Unternehmen von einem kompletten oder weitreichenden
Stillstand ihres Geschäfts berichten. Darunter seien Busunternehmen,
Veranstalter von Messen, Konzerten oder Schausteller. «Bei diesen
Betrieben müssen die Fixkostenzuschüsse etwa für Mieten, Pachten,
Auszubildende und Grundsteuern jetzt schnellstmöglich und
unbürokratisch ankommen.»

Ein weiteres Instrument des Bundes in der Krise ist der mit einem
Budget von 600 Milliarden Euro ausgestattete
Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Die Wettbewerbshüter der
EU-Kommission genehmigten nun diesen von der Bundesregierung
eingerichteten Rettungsschirm für Unternehmen. Der Fonds stehe mit
den in der Corona-Krise gelockerten EU-Regeln im Einklang, wie die
Brüsseler Behörde am Mittwoch mitteilte. Es seien keine
unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen zu erwarten.

Ziel des Fonds ist es, größere Unternehmen mit Kapital zu versorgen,
die in der Krise unverschuldet in Schwierigkeiten geraten sind. Über
den WSF hatte die Bundesregierung bereits ein milliardenschweres
Rettungspaket für die angeschlagene Lufthansa auf den Weg gebracht,
dem Brüssel bereits zugestimmt hatte. Ebenfalls bereits vor längerem
hatten die Kommission grünes Licht für die Verwendung von bis zu 100
Milliarden Euro für die Refinanzierung staatlicher Beihilfemaßnahmen
gegeben, die nun Teil des WSF sind.

Das Lufthansa-Paket sah auch vor, dass sich der Staat direkt an der
Fluggesellschaft beteiligt. Wie Altmaier sagte, ist die
Bundesregierung mit rund 50 Unternehmen über Hilfen aus dem
Stabilisierungsfonds im Gespräch. Er gehe davon aus, dass die Zahl
steigen werde. Namen von konkreten Firmen nannte Altmaier nicht.

Besonders betroffene Branchen aber sind etwa die Reisewirtschaft, der
Schiffbau oder auch der Handel. Eine Beteiligung des Bundes an vielen
Firmen könnte etwa in der Unionsfraktion Debatten auslösen. So wird
dem Vernehmen nach im Wirtschaftsflügel vor einem Gang in die
«Staatswirtschaft» gewarnt.

Die EU-Kommission hatte die Regeln für Staatshilfen wegen der
Corona-Krise zuletzt deutlich gelockert. Sie wacht allerdings weiter
darüber, dass Hilfspakete nicht zu unverhältnismäßigen
Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen. Als generelle Auflage
gilt zum Beispiel, dass die mit dem Geld der Steuerzahler finanzierte
Unterstützung für Unternehmen hinreichend vergütet wird. Zudem dürf
en
staatlich rekapitalisierte Unternehmen keine Dividenden ausschütten
oder Bonuszahlungen leisten.