EU-Reform soll Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer verbessern

09.07.2020 12:49

Wochenlang auf den Straßen unterwegs, längere Ruhepausen in der
Fahrerkabine und nicht bei der Familie - neue Regelungen sollen das
künftig europaweit unterbinden. Auch Lohndumping und
Briefkastenfirmen schiebt die Reform einen Riegel vor.

Brüssel (dpa) - Millionen Fernfahrern in Europa sollen bessere
Arbeitsbedingungen garantiert werden. Das Europaparlament billigte am
Donnerstag umfassende neue Regeln, die den Fahrern europaweit
geregeltere Ruhezeiten, mehr Zeit zu Hause und eine fairere Bezahlung
zusichern. Das Paket soll auch Wettbewerbsverzerrung in der
Transportbranche begrenzen.

Gegen die Reform gab es bis zuletzt Widerstand, unter anderem aus
östlichen EU-Ländern. Die zuständigen EU-Minister hatten sich aber
nach jahrelangen Verhandlungen im April verständigt.

Nach Angaben des Europaparlaments können rund 3,6 Millionen
Lkw-Fahrer von den Reformen profitieren. Nach den neuen Regeln dürfen
sie die reguläre wöchentliche Ruhezeit nicht mehr in der Fahrerkabine
verbringen. Außerdem bekommen sie das Recht, spätestens nach drei bis
vier Wochen Arbeit nach Hause fahren zu können. Die Regelungen gelten
auch für Fahrern von Fernbussen.

Unternehmen müssen ihre Fahrpläne entsprechend organisieren. Können
die Fahrer ihre Ruhepause nicht zu Hause verbringen, muss der
Arbeitgeber für die Kosten einer Unterkunft aufkommen. Zudem sollen
die Gehälter von Fahrern durch Regeln zur Entsendung EU-weit
angepasst werden.

EU-Verkehrskommissarin Adina Valean begrüßte die Annahme des
sogenannten Mobilitätspakets. Die sozialen Verbesserungen dadurch
seien erheblich, so Valean. Der verkehrspolitische Sprecher der
SPD-Europaabgeordneten, Ismail Ertug, sagte, das Ergebnis sei ein
großer Schritt hin zu einem geordneten und humaneren Transportsektor.
Das Gesetzespaket solle dem «Nomadendasein» vieler Fahrer ein Ende
setzen.

Nach den neuen Vorschriften müssen die Lkw auch alle acht Wochen zum
Betriebszentrum des Unternehmens zurückkehren. Kritiker sehen in
dieser Regelung eine unnötige Belastung für die Umwelt, Leerfahrten
werden befürchtet. Die Kommission will nach Angaben von Valean prüfen
lassen, wie groß die erwartete Auswirkung der Neuregelung auf die
Umwelt ist und gegebenenfalls mit einem gezielten Gesetzesvorschlag
eingreifen.

Um Betrug in der Branche zu verhindern, sollen Fahrtenschreiber
künftig Grenzüberfahrten registrieren. Wichtiger Punkt ist die
Einschränkung von sogenannter Kabotage, also Transporte durch
ausländische Spediteure in einem EU-Staat. Nach einer solchen Fahrt
dürfen weitere Kabotagefahrten in demselben Staat mit demselben
Fahrzeug erst nach einer Wartezeit von vier Tagen gemacht werden.

Unter den Mitgliedstaaten und auch im Europaparlament hatte es im
Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Streit gegeben. Aus den westlichen
EU-Staaten kamen wiederholt Forderungen nach strengen Vorgaben, um
Lohndumping osteuropäischer Speditionsunternehmen zu verhindern -
Abgeordnete unter anderem aus Rumänien, Bulgarien und Polen warfen
den westlichen Nachbarn jedoch Protektionismus vor.

Mit den neuen Regeln soll auch Briefkastenfirmen ein Riegel
vorgeschoben werden. Die Spediteure müssen nachweisen, dass sie in
demjenigen Mitgliedstaat, in dem sie registriert sind, auch aktiv
sind. So soll verhindert werden, dass die Unternehmen in einem Land
mit niedrigeren Löhnen ansässig sind, ihre Fahrer aber hauptsächlich

in anderen Staaten einsetzen. Es gelte «gleicher Lohn für gleiche
Arbeit am gleichen Ort», erklärte SPD-Politiker Ertug.

Neu ist auch, dass kleiner Nutzfahrzeuge über 2,5 Tonnen mit
Fahrtenschreibern ausgestattet werden müssen. Wie der
verkehrspolitische Sprecher der CSU-Europagruppe, Markus Ferber,
betonte, werden durch das Maßnahmenpaket die Straßen sicherer.
«Missstände wie übermüdete Fahrer auf den Straßen, manipulierbare

Kontrollgeräte und Briefkastenfirmen im Osten können nun effektiv
bekämpft werden.»

Die nationalkonservative Fraktion EKR kritisierte, dass das
Reformpaket Transportunternehmen aus Osteuropa und den baltischen
Staaten diskriminiere. Angesichts der Coronavirus-Pandemie sei es für
die Fahrer außerdem sicherer, in ihren Fahrerkabinen als in einem
Hotel zu schlafen, sagte der lettische EKR-Politiker Roberts Zile.

Die Vorschriften treten nach Angaben des EU-Parlaments in wenigen
Wochen in Kraft, sobald sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht
werden. Die EU-Länder haben 18 Monate Zeit, um den Großteil der
Reformen umzusetzen.