Klagen gegen Unternehmensanleihenkäufe der EZB inhaltlich zu dünn

09.07.2020 15:12

Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht hat zwei neue Klagen
gegen Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) wegen
mangelhafter Begründung abgewiesen. Der Beschluss vom 15. Juni wurde
am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlicht. Diesmal geht es um das
Programm CSPP (Corporate Sector Purchase Programme) zum Ankauf von
Unternehmenspapieren. Die Beschwerden wurden nicht zur Entscheidung
angenommen. Aus dem Beschluss geht aber hervor, dass die Richter die
Käufe nicht für unproblematisch halten. (Az. 2 BvR 71/20 u.a.)

Über das Programm kaufen Zentralbanken im Euroraum seit Juni 2016
Unternehmensanleihen auf dem Primär- und Sekundärmarkt - also direkt
oder etwa über Geschäftsbanken. Auch die Bundesbank macht mit. Bis
Mai 2020 wurden knapp 210 Milliarden Euro in solche Papiere gesteckt.
Verglichen mit dem Gesamtvolumen sämtlicher Anleihenkäufe der EZB von
mehr als 2,8 Billionen Euro macht das CSPP damit nur einen kleineren
Teil aus.

Die beiden Klägergruppen hatten kritisiert, dass die EZB mit dem CSPP
den Wettbewerb verfälsche oder sogar ausschalte. Die Zentralbank
begünstige einzelne in der Eurozone tätige Unternehmen. Damit
überschreite sie ihr Mandat für die Währungspolitik.

Die Richter bezeichnen es als «nicht ausgeschlossen, dass die im
Rahmen des CSPP von den nationalen Zentralbanken vorgenommenen
Anleihekäufe gegen das Primärrecht verstoßen». Das Programm
verschaffe großen, teilnahmefähigen Unternehmen verbesserte
Kreditbedingungen. Das könne den Wettbewerb verzerren. Die Wirtschaft
werde unmittelbar mit Zentralbankgeld versorgt, das könnte in den
Augen der Richter eine beihilfeähnliche Kreditvergabe darstellen.

Inhaltlich liefern ihnen die Verfassungsbeschwerden aber
offensichtlich nicht ausreichend Munition für eine genauere Prüfung.
Wichtige Ausführungen fehlten, heißt es in dem Beschluss - zum
Beispiel dazu, wie einzelne Unternehmen begünstigt würden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang Mai in einem
aufsehenerregenden Urteil das große Kaufprogramm PSPP der EZB
beanstandet und sich damit zum ersten Mal über eine Vorabentscheidung
des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hinweggesetzt. Bei dieser
Entscheidung ging es um den Ankauf von Staatsanleihen.