Merkel trifft Rutte - Ruf nach Reformen in der Corona-Krise

09.07.2020 19:56

Ein Vertreter der «sparsamen Vier» bei der Kanzlerin in Berlin: Die
Umsetzung des umstrittenen geplanten EU-Wiederaufbaufonds in der
Corona-Pandemie ist Thema des Treffens. Aus Deutschland kommt der
Appell an Rutte, seine Ablehnung zu überdenken.

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Europäer
zu einem mutigen Reformkurs aufgerufen, um gestärkt aus der
Corona-Krise zu kommen. Hilfen, die nicht mit Reformen und einer
Ausrichtung auf die Zukunft verbunden seien, würden letztlich nichts
helfen, sagte die Kanzlerin am Donnerstagabend in Berlin zum Auftakt
eines Treffens mit dem niederländischen Premier Mark Rutte, von dem
Impulse für das weitere Vorgehen bei den umstrittenen geplanten
EU-Wiederaufbaufonds erwartet wurden. «Die Welt schläft nicht. Und
nach dieser Krise werden mit Sicherheit die Karten neu gemischt»,
warnte Merkel.

«Es wird geguckt, wer kann wirklich den Menschen in seinen Ländern
Wohlstand garantieren. Und das geht nur mit einer wettbewerbsfähigen,
zukunftsfähigen Wirtschaft.» Eine große Rolle müsse zum Beispiel de
r
Klimaschutz spielen, wo die Niederlande einen «sehr, sehr engagierten
Weg» gingen, sagte Merkel.

Rutte sagte, die Corona-Pandemie habe großen Schaden angerichtet. «Es
ist jetzt ganz wichtig, dass wir diesen Schlag, den Europa erlitten
hat, gemeinsam meistern.» Deutschland und die Niederlande könnten nur
gut weitermachen, wenn es der ganzen Europäischen Union gut gehe.
Alle Wirtschaftssysteme seien ganz eng miteinander verbunden.

Rutte betonte, es sei ganz wichtig, dass der europäische
Wiederaufbaufonds komme. «Aber es ist auch wichtig, dass ein solcher
Fonds zusammen mit Reformen durchgeführt wird, damit alle
EU-Mitgliedsstaaten auch stark sind, und damit bei einem folgenden
Schlag ein solcher Fonds gar nicht notwendig ist.»

Mit Blick auf den geplanten mittelfristigen Finanzrahmen der EU
betonte Rutte, die EU müsse sparsam sein. «Wir wollen nicht, dass der
Nettobeitrag in Folge des Brexit und der Corona-Krise nun steigt.»
Rutte wünschte Merkel viel Erfolg für die deutsche
EU-Ratspräsidentschaft. «Wir haben sehr viel Vertrauen in Deine
Person», versicherte er der Kanzlerin.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte zuvor an Rutte
appelliert, die Ablehnung der geplanten, nicht zurückzahlbaren
EU-Milliardenhilfen in der Corona-Pandemie zu überdenken. «Wir müssen

in ganz Europa darauf schauen, dass wir wieder wirtschaftlich
erfolgreich sind. Wir müssen darauf schauen, dass wir in ganz Europa
wieder Wachstum erzeugen», sagte Dobrindt der Deutschen
Presse-Agentur.

«Ich bin mir relativ sicher, dass auch die sogenannten Sparsamen Vier
sich so einer Logik nicht entziehen werden und entziehen wollen»,
sagte Dobrindt. «Trotzdem ist es ja berechtigt zu fragen, wie wird
mit den Hilfsgeldern umgegangen», sagte der CSU-Politiker.
«Möglicherweise ist die Kontrolle des Umgangs mit den Hilfsgeldern
auch eine Brücke, über die diese Länder dann auch gehen können.»


Die Niederlande gehören mit Österreich, Dänemark und Schweden zu den

«Sparsamen Vier», die nicht rückzahlbare Milliardenzuwendungen
ablehnen. Von den 750 Milliarden Euro des schuldenfinanzierten
Wiederaufbauplans sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission 500
Milliarden als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite vergeben
werden. Den Haag will die Mittel nur in Form von Krediten zugestehen,
die zudem an wirtschaftliche Reformen geknüpft werden sollen.

Rutte steht auch unter innenpolitischem Druck, denn er muss am Ende
auch eine Mehrheit im Parlament von einem Kompromiss überzeugen.
Seiner Mitte-Rechts-Koalition fehlt eine Stimme zur Mehrheit. Zudem
steht im März die Parlamentswahl an. Auch wenn die Umfragewerte
seiner rechtsliberalen VVD zur Zeit durch Erfolge bei der Bewältigung
der Corona-Krise sehr hoch sind, muss Rutte die Konkurrenz der zwei
euro-skeptischen Rechtspopulisten fürchten, Geert Wilders und Thierry
Baudet. Nach seinem Gespräch mit Merkel wird der niederländische
Premier Mark Rutte in den kommenden Tagen auch mit den
Regierungschefs Italiens, Spaniens und Portugals zusammentreffen.