EZB mahnt Banken: Keine Gewinnausschüttung 2020 wegen Corona-Krise

28.07.2020 13:34

Noch sind die Kapitalpuffer ausreichend dick - doch die
wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind schwer abzuschätzen. Banken
sollten sich daher für mögliche Verluste rüsten und ihr Geld für di
e
Vergabe von Krediten zusammenhalten, fordern Bankenaufseher.

Frankfurt/Main (dpa) - Kredite statt Dividenden: Banken im Euroraum
sollen nach dem Willen der Aufseher wegen der Corona-Krise in diesem
Jahr keine Gewinne ausschütten. Auch auf Aktienrückkäufe sollen die
Institute möglichst bis zum 1. Januar 2021 verzichten, mahnten die
Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) am Dienstag. Ziel
des Dividendenstopps ist, die Fähigkeit der Geldhäuser zu stärken,
mögliche Verluste infolge der Pandemie zu verkraften und ausreichend
Mittel für die Kreditvergabe an Privatleute und Firmen zu haben.

«Der Aufbau starker Kapital- und Liquiditätspuffer seit der letzten
Finanzkrise hat es den Banken in dieser Krise ermöglicht, weiterhin
Kredite an private Haushalte und Unternehmen zu vergeben und damit
zur Stabilisierung der Realwirtschaft beizutragen», begründete der
Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, die Verlängerung des
Dividendenstopps um drei Monate. «Umso wichtiger ist es, die Banken
zu ermutigen, ihre Kapital- und Liquiditätspuffer jetzt zu nutzen, um
sich weiterhin auf diese übergeordnete Aufgabe zu konzentrieren: die
Kreditvergabe.»

Bislang hatte die EZB an Banken appelliert, mindestens bis zum 1.
Oktober dieses Jahres keine Dividenden an ihre Aktionäre auszuzahlen.
Viele Banken strichen in der Folge geplante Gewinnausschüttungen für
das Geschäftsjahr 2019 oder verringerten diese zumindest.

Enria betonte in einer Videokonferenz: «Wir erwarten, dass Banken
unserer Empfehlung folgen.» Sollten Institute dies nicht tun, werde
die EZB nicht zögern, einzelnen Häuser auch bindende Vorgaben zu
machen. Im Dezember werde die EZB-Bankenaufsicht anhand der dann
vorliegenden konjunkturellen Daten den temporären Dividendenstopp
erneut überprüfen - mit ausreichend Vorlauf zu dem Zeitraum, in dem
die Gewinnausschüttungen an die Aktionäre für das Geschäftsjahr 202
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anstünden. «Wir hoffen sehr, dass wir möglichst bald zur Normalität

zurückkehren können», sagte Enria.

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) äußerte sich kritisch zur
Verlängerung des Dividendenstopps. «Ein generelles
Ausschüttungsverbot für alle Banken ist aus unserer Sicht nicht
sinnvoll», kommentierte BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig.
«Die EZB hat alle erforderlichen Informationen, um einzelne Banken zu
einem Ausschüttungsverzicht aufzufordern. Mit einer pauschalen
Verlängerung und der möglichen Ausweitung in das Jahr 2021 werden
insbesondere institutionelle Investoren unnötig verunsichert.» Dies
sei ein Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz von außerhalb
des Euroraums.

Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin hatte Finanzinstitute
angesichts der konjunkturellen Verwerfungen infolge der Corona-Krise
wiederholt dazu aufgefordert, mit ihren Kapitalressourcen «sehr
sorgfältig» umzugehen. Bereits im März mahnte die Bonner Behörde:
Banken sollten von Aktienrückkäufen Abstand nehmen sowie
Ausschüttungen von Dividenden, Gewinnen und Boni sorgfältig abwägen.


Einer Analyse der EZB-Bankenaufsicht zufolge sind die Banken im
Euroraum ausreichend gegen Rückschläge in der Corona-Krise gerüstet.

Sollte sich das wirtschaftliche Umfeld noch deutlich verschlechtern,
würden die Kapitalpuffer allerdings «erheblich» zusammenschmelzen,
warnte Enria. In einem solchen Fall müssten die Behörden bereit sein,
weitere Maßnahmen zu ergreifen, «um einen gleichzeitigen
Schuldenabbau durch Banken zu verhindern, der die Rezession vertiefen
könnte». Denkbar wären zum Beispiel staatliche Garantien zur
Absicherung von Krediten.

Die Aufseher analysierten anhand von zwei Szenarien, wie die
Kapitalpuffer von 86 Instituten reagieren würden, die direkt von der
EZB beaufsichtigt werden. In der ersten Berechnung, die die EZB für
wahrscheinlicher hält, geht die Notenbank von einem Rückgang der
Wirtschaftsleistung im Währungsraum um 8,7 Prozent dieses Jahr aus.
Im zweiten Fall wird ein tieferer Absturz um 12,6 Prozent
unterstellt. In beiden Szenarien erwartet die EZB, dass die
Wirtschaft 2021 wieder auf Wachstumskurs gehen wird - wenn auch
unterschiedlich schnell.

Je nach Schwere der konjunkturellen Krise würde die Kernkapitalquote
(CET1) der Banken von einem Ausgangswert von 14,5 Prozent um 1,9
beziehungsweise 5,7 Prozentpunkte sinken. Im letzteren Fall müssten
mehrere Institute Maßnahmen ergreifen, um die
Mindestkapitalanforderungen der Aufseher zu erfüllen.

Die EZB beaufsichtigt seit November 2014 die größten Banken und
Bankengruppen im Euroraum direkt, derzeit sind dies 115 Institute im
gemeinsamen Währungsraum, die für fast 82 Prozent des Marktes im
Währungsraum der 19 Länder stehen.