EU-Finanzpaket nimmt erste Hürde - Merkel für ehrgeizigen Zeitplan

29.07.2020 17:29

Können ab 1. Januar die Hilfsmilliarden für Europas Krisenregionen
fließen? Vorher stehen noch schwierige Verhandlungen an. Und die Zeit
ist knapp.

Brüssel (dpa) - Das milliardenschwere EU-Finanzpaket gegen die
Corona-Krise hat eine erste Hürde genommen. Der Rat der EU-Staaten
ebnete am Mittwoch den Weg für Verhandlungen mit dem Europaparlament.
Bundeskanzlerin Angela Merkel verabredete in einem Telefonat mit
Parlamentspräsident David Sassoli und EU-Kommissionschefin Ursula von
der Leyen einen «ambitionierten Zeitplan», damit die EU-Programme wie
geplant zum 1. Januar in Kraft treten können.

Der EU-Gipfel hatte vorige Woche ein Finanzpaket von 1,8 Billionen
Euro geschnürt - 1074 Milliarden Euro für den nächsten siebenjährig
en
Haushaltsrahmen und 750 Milliarden Euro zur wirtschaftlichen Erholung
von der Corona-Krise. Das EU-Parlament will jedoch im
Vermittlungsverfahren mehr Geld für Forschung, Klimaschutz,
Gesundheit, Studenten und Migrationspolitik herausholen.

Zudem wollen die Abgeordneten die geplante Klausel zur
Rechtsstaatlichkeit nachschärfen. Demnach sollen EU-Gelder gekürzt
werden können, wenn ein Land zum Beispiel die Freiheit der Justiz
oder der Medien einschränkt. Der Gipfel hatte sich auf eine Formel
geeinigt, die dem Parlament zu vage ist. Denn Polen und Ungarn lesen
daraus, dass es eine solche Koppelung auch künftig nicht geben wird.

Deutschland hat seit dem 1. Juli den Vorsitz der EU-Länder und damit
eine Vermittlerrolle. Deshalb stimmten sich Merkel, Sassoli und von
der Leyen in dem Telefonat ab. Sie wollten die bevorstehenden
Verhandlungen eng begleiten, erklärte die stellvertretende deutsche
Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Die drei seien sich einig, dass
keine Zeit zu verlieren sei, ergänzte die EU-Kommission. Die deutsche
Ratspräsidentschaft will die Verhandlungen Mitte August beginnen.

Die Gipfelbeschlüsse sind inzwischen in konkrete Rechtstexte
gegossen. Darunter ist die geplante Grundlage für die Aufnahme der
750 Milliarden Euro Schulden für das Corona-Aufbauprogramm - der
sogenannte Eigenmittelbeschluss. Mit dem Parlament verhandelt wird
über die Vorlage zum sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen, also den
auf sieben Jahre angelegten EU-Haushalt.

Das Europaparlament bekräftigte am Mittwoch auf Twitter, dass es «den
auf dem EU-Gipfel erzielten Kompromiss über den langfristigen
Haushalt in seiner derzeitigen Form» nicht akzeptieren könne. «Wir
wollen unsere Ambitionen nicht aufgeben», erklärte
Parlamentspräsident Sassoli.

Ein mit den Verhandlungen vertrauter hochrangiger EU-Diplomat warnte
jedoch, der Finanzrahmen und das Corona-Wiederaufbauprogramm seien
ein Paket, das nicht wieder aufgeschnürt werden dürfe. Immerhin
hätten die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel vier Tage und vier
Nächte darüber verhandelt, bevor eine Einigung möglich gewesen sei.
Die zunehmend sichtbaren Schäden der Krise und die rasch steigenden
Arbeitslosenzahlen mahnten zur Eile.