Ja zur Bahnfusion von Alstom mit Bombardier - Bibbern in Hennigsdorf Von Ansgar Haase und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

31.07.2020 17:18

Das Nein der EU-Kommission zur Bahn-Fusion von Siemens und dem
französischen Konkurrenten Alstom löste im vergangenen Jahr Empörung

aus. Nun können zumindest die Franzosen etwas aufatmen.

Brüssel (dpa) - Nach der geplatzten Elefantenhochzeit mit Siemens hat
der Zughersteller Alstom nun aus Brüssel die Erlaubnis zur Megafusion
mit einem anderen Konkurrenten: Das französische Unternehmen darf die
Zugsparte des kanadischen Konzerns Bombardier übernehmen, wie die
EU-Kommission am Freitag mitteilte. Doch gelten Auflagen, und die
betreffen auch Deutschland: Ein Teil der Bombardier-Produktion in
Hennigsdorf bei Berlin muss verkauft werden. Zusammen beschäftigen
die beiden Weltkonzerne etwa 9000 Menschen in der Bundesrepublik.

Im Februar 2019 hatte die EU-Kommission den Zusammenschluss von
Alstom - bekannt vor allem als Hersteller des
Hochgeschwindigkeitszuges TGV - und Siemens untersagt. Der Wettbewerb
würde eingeschränkt, hieß es damals. Die Zugeständnisse der damalig
en
Partner hätten nicht ausgereicht. Nun machten Alstom und Bombardier
Transportation so umfassende Angebote an die Brüsseler
Wettbewerbshüter, dass diese Ja sagten. Ohne die Zusagen wäre auch
diese Fusion wettbewerbsrechtlich bedenklich gewesen, erklärte die
zuständige Kommissarin Margrethe Vestager.

So muss sich Bombardier Transportation von der
Talent-3-Fernzugplattform trennen und eben auch von der
Produktionsanlage für den Talent 3 in Hennigsdorf. Zudem will
Bombardier seinen Projektanteil an der Kooperation für den
Hochgeschwindigkeitszug V300Zefiro abgeben.

Alstom soll die Coradia-Polyvalent-Fernzugplattform und die
Produktionsanlage im französischen Reichshoffen veräußern. In der
Sparte Signaltechnik muss das neue Unternehmen Konkurrenten Technik
und Informationen zur Verfügung stellen, um den Wettbewerb zu
sichern. Die Genehmigung der EU-Kommission ist an die Bedingung
geknüpft, dass die Zusagen vollständig umgesetzt werden.

Beide Unternehmen gehören zu den Weltmarktführern im Schienenverkehr.
In ihren hochmodernen Zügen führen täglich Millionen Menschen in der

EU, unterstrich Kommissarin Vestager. «Das aus dem Zusammenschluss
hervorgehende Unternehmen wird künftig eine stärkere Marktstellung
haben», fügte sie an. Doch bleibe dank der Zusagen der Wettbewerb
erhalten, was Kunden und Verbrauchern zugute komme.

Alstom und Bombardier begrüßten Vestagers Entscheidung. Es stünden
nun noch Genehmigungen anderer Wettbewerbsbehörden aus, doch solle
die Übernahme spätestens Ende Juni 2021 abgeschlossen werden. Sie
kostet Alstom nach Angaben vom Februar 5,8 bis 6,2 Milliarden Euro.

Ob das Geschäft allerdings auch für die Beschäftigten der beiden
Konzerne aufgeht, ist aus Sicht der Gewerkschaften noch nicht
ausgemacht. Sie fürchten, dass Bombardier- und Alstom-Standorte wegen
der Übernahme in Gefahr sein könnten. Bombardier Transportation hat
in Deutschland mehrere Werke, Alstom betreibt sein größtes Werk in
Deutschland.

«Für uns geht es jetzt erst richtig los», sagte
IG-Metall-Hauptkassierer Jürgen Kerner. «Die Beschäftigten verdienen

Sicherheit und Klarheit. Arbeitsplätze und Standorte müssen
gesichert, Mitbestimmung und Tarifstandards gewahrt bleiben werden.»
Gefordert seien ein Zukunftskonzept und Zusagen möglicher Käufer von
Anlagen in Hennigsdorf. Die Politik müsse den Prozess begleiten. Die
Konzerne kündigten Gespräche mit Arbeitnehmervertretern an.

Wettbewerbskommissarin Vestager hatte sich nach ihrem Veto gegen die
Fusion Siemens-Alstom 2019 schwere Vorwürfe anhören müssen, einen
«europäischen Champion» verhindert zu haben. Damals hatten sich
sowohl die Bundesregierung als auch die französische Regierung
enttäuscht über die Entscheidung der EU-Kommission gezeigt.

Diesmal sprach Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire von
einer «guten Nachricht» für die europäische Bahntechnikbranche.
«Diese Entscheidung erlaubt eine Stärkung von Alstom und Bombardier,
indem ein maßgebliches, weltweit führendes Unternehmen geschaffen
wird», erklärte Le Maire.

Aus Berlin hieß es nur: «Das Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie nimmt die heutige Entscheidung der Europäischen Kommission
zur Kenntnis. Die Zuständigkeit für die wettbewerbsrechtliche Prüfung

des Zusammenschlusses lag allein bei der Europäischen Kommission.»