EU organisiert Sondersitzung der Außenminister zu Belarus und Türkei

12.08.2020 15:37

Noch am Dienstag hatte der Auswärtige Dienst der EU zurückhaltend auf
Forderungen nach einer Sondersitzung zur Lage in Belarus und im
östlichen Mittelmeer reagiert. Nun geht es auf einmal doch sehr
schnell.

Brüssel (dpa) - Die Außenminister der EU-Staaten werden am Freitag in
einer außerplanmäßigen Videokonferenz über mögliche Reaktionen au
f
die Entwicklungen in Belarus sowie im Streit um Erdgas im östlichen
Mittelmeer beraten. Mehrere EU-Staaten hatten zuvor gefordert, mit
einer Reaktivierung von Sanktionen gegen die belarussische Führung
auf die umstrittene Präsidentenwahl am vergangenen Sonntag zu
reagieren.

Griechenland beantragte zudem Gespräche wegen der Spannungen mit der
Türkei. Hintergrund sind neue türkische Erdgaserkundungen in einem
Seegebiet, das Griechenland als Teil seiner ausschließlichen
Wirtschaftszone sieht. Nach türkischer Lesart haben Inseln wie Kreta
zwar Hoheitsgewässer, aber keine ausschließliche Wirtschaftszone.

Besorgt sind die EU-Staaten vor allem wegen der Lage in Belarus.
Staatschef Alexander Lukaschenko wird vorgeworfen, die
Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag zu seinen Gunsten
manipuliert zu haben und die Versammlungs-, Medien- und
Meinungsfreiheit einzuschränken. Bei Protesten gab es zuletzt
Tausende Festnahmen.

«Wir müssen eine einheitliche Position finden, um Druck auf
Lukaschenko aufzubauen», sagte der luxemburgische Außenminister Jean
Asselborn am Mittwoch dem «Tagesspiegel». Es sei «keine Option,
nichts zu tun und wegzuschauen». Zuvor hatten sich unter anderem
bereits Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und auch Litauens
Außenminister Linas Linkevicius für ein entschiedenes Vorgehen
ausgesprochen. Linkevicius sagte, sollte keine Einigung über
gemeinsame EU-Sanktionen zustande kommen, werde Litauen nationale
Sanktionen initiieren. 

Ob es zu einer Wiedereinführung von 2016 ausgelaufenen EU-Sanktionen
oder neuen Maßnahmen kommt, ist nämlich fraglich, da dafür die
Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten notwendig wäre. Vor allem Ungarns
Regierungschef Viktor Orban pflegte bis zuletzt enge Kontakte zu
Lukaschenko und sprach sich zudem für eine Aufhebung aller
EU-Sanktionen gegen Belarus aus.

Die EU hatte zuletzt im Februar 2016 ungeachtet der Kritik von
Menschenrechtlern zahlreiche Sanktionen gegen den Machtapparat von
Lukaschenko auslaufen lassen. Lediglich ein bestehendes Waffenembargo
sowie Strafmaßnahmen gegen vier Weißrussen, die am Verschwinden von
Regime-Gegnern beteiligt sein sollen, wurden zuletzt noch
aufrechterhalten.

Für Lukaschenko, 169 Gefolgsleute sowie drei Unternehmen bedeutete
die EU-Entscheidung damals, dass von ihnen vorhandene Vermögen in der
EU nicht mehr gesperrt werden konnten. Zudem wurden für sie sämtliche
Reise- und Geschäftsbeschränkungen aufgehoben. Als einen Grund für
die Lockerung der Sanktionen nannte die EU damals die Freilassung
politischer Gefangener sowie die gewaltfrei verlaufene
Präsidentenwahl im Jahr 2015.

Der Auswärtige Dienst der EU hatte noch am Dienstag zurückhaltend auf
Forderungen nach einer Sondersitzung zu den jüngsten Krisen reagiert
und darauf verwiesen, dass es bereits Ende August ein informelles
EU-Außenministertreffen in Berlin geben wird. Letztendlich wurde der
Druck aber offensichtlich zu groß. «Ich werde für Freitagnachmittag
eine außerordentliche Sitzung des Rates für Auswärtige
Angelegenheiten einberufen», teilte der EU-Außenbeauftragten Josep
Borrell am Mittwochvormittag mit.