Tichanowskaja ruft per Video zu friedlichen Massenaktionen auf

14.08.2020 15:28

Minsk (dpa) - Die belarussische Präsidentenkandidatin Swetlana
Tichanowskaja hat nach der umstrittenen Wahl aus ihrem Exil im
EU-Land Litauen zu neuen friedlichen Massenaktionen aufgerufen.
«Lasst uns zusammen unsere Stimmen verteidigen», sagte sie in einer
am Freitag über die sozialen Netzwerke verbreiteten Videobotschaft.
Am Samstag und Sonntag sollten sich die Menschen in allen Städten des
Landes zu friedlichen Massenversammlungen zusammenfinden. Zugleich
forderte sie den Machtapparat auf, die Gewalt gegen die Bürger zu
beenden und den Dialog zu beginnen. Sie betonte, dass sie bei der
Wahl zwischen 60 und 70 Prozent der Stimmen erhalten habe.

Dagegen hatte sich der als «letzter Diktator Europas» bezeichnete
Alexander Lukaschenko mit rund 80 Prozent zum Sieger erklären lassen.
Der Staatschef hat mit dem Einsatz der Armee gedroht, um sich eine
sechste Amtszeit in Folge zu sichern. An seinen Sieg vom Sonntag
glaube die Mehrheit der Menschen nicht, sagte Tichanowskaja.

Im Nachrichtenkanal Telegram schlug sie die Gründung eines
Koordinierungsrates vor, «um damit eine Machtübertragung
sicherzustellen». Dem Gremium sollten Vertreter der
Zivilgesellschaft, namhafte Belarussen und Fachleute angehören. «Ich
erkläre, dass wir zu einem Dialog mit den Behörden bereit sind»,
sagte Tichanowskaja. Die Weltgemeinschaft und die EU sollten damit
helfen, dass es zu diesen Gesprächen komme.

«Die Lage ist kritisch», sagte die Kandidatin. Lukaschenko, den sie
nicht beim Namen nennt, habe einen «blutigen Krieg» gegen die
Bevölkerung begonnen. «Die Belarussen wollen nie mehr unter den
gegenwärtigen Machthabern leben.» Tichanowskaja danke ihren
Unterstützern und besonders den Menschen in den Staatsbetrieben, die
öffentlich auf Versammlungen gezeigt hätten, für wen sie gestimmt
haben. Auf vielen Videos ist zu sehen, wie Arbeiter jubelnd die Hände
in die Luft strecken bei der Frage, wer Tichanowskaja gewählt habe.
Für Lukaschenko gingen kaum Hände hoch.