Erdgasstreit im Mittelmeer - Türkisches Schiff beendet Erkundungen

13.09.2020 12:28

Die Erkundungen der «Oruc Reis» im Mittelmeer haben den Konflikt
zwischen Athen und Ankara um Erdgasvorkommen hochkochen lassen. Jetzt
ist das Schiff zurück im türkischen Hafen. Folgt nun die Entspannung?

Ankara/Athen (dpa) - Das türkische Forschungsschiff «Oruc Reis» ist
nach der international umstrittenen Erkundung von Erdgasvorkommen im
östlichen Mittelmeer in den türkischen Hafen Antalya zurückgekehrt.
Griechenland begrüßte das Ende der Forschungen. «Das ist ein Schritt

in die richtige Richtung», sagte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis
am Sonntag im griechischen Fernsehen (ERT). Seine Regierung fordere
nun weitere Schritte von der Türkei, damit es zu einem Dialog über
die Festlegung sogenannter ausschließlicher Wirtschaftszonen im
östlichen Mittelmeer kommen könne.

Zur Rückkehr des Schiffes am Samstag sagte der griechische
Regierungssprecher Stelios Petsas im Nachrichtensender Skai: «Es ist
ein positiver Schritt.» Von offizieller türkischer Seite gab es am
Sonntag zunächst keine Reaktion.

Die «Oruc Reis» hatte seit der zweiten Augustwoche im östlichen
Mittelmeer vor griechischen Inseln und westlich von Zypern nach
Erdgas gesucht. Der Einsatz wurde mehrmals und zuletzt bis zum 12.
September verlängert. An der Mission hat sich ein lange schwelender
Streit um Erdgas zwischen Griechenland und der Türkei wieder
entzündet.

Ankara argumentiert, dass das Gebiet, in dem das Schiff nach Erdgas
sucht, zum türkischen Festlandsockel gehört und das Land damit das
Recht auf Ausbeutung hat. Der Türkei sind aber die griechischen
Inseln Rhodos und Kastelorizo vorgelagert, weshalb das EU-Mitglied
Griechenland das Seegebiet für sich beansprucht. Einen ähnlichen
Konflikt gibt es um die Insel Zypern, vor deren Küste schon reiche
Erdgasvorkommen entdeckt wurden.

Am Samstag besuchte US-Außenminister Mike Pompeo die Insel und traf
sich mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades. «Wir sind
besorgt über die Aktionen der Türkei in der Region», sagte Pompeo in

einer Stellungnahme, die von dem zyprischen Staatssender RIK
übertragen wurde. Die Tatsache, dass Pompeo sich während der Visite
nicht auch mit dem Präsidenten der nur von der Türkei anerkannten
Türkischen Republik Nordzypern traf, wurde in Nikosia als
diplomatischer Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Hohe US-Vertreter
statten normalerweise beiden Teilen der Insel einen Besuch ab.

Griechenland hatte zudem am Samstag bekannt gegeben, ein
umfangreiches Aufrüstungsprogramm in die Wege geleitet zu haben.
Mitsotakis' Regierung will den Angaben zufolge 18 französische
Mehrzweckjets vom Typ Rafale kaufen. Zudem sollen vier neue Fregatten
angeschafft und vier weitere vorhandene Fregatten aus deutscher
Produktion modernisiert werden.

Auch der Bestand an Flugabwehrraketen, Torpedos und anderer Munition
werde erhöht. Darüber hinaus solle die griechische Waffenindustrie
verstärkt zur Rüstung des Landes beitragen - das betrifft etwa
Werften nahe Athen. Das militärische Personal wird nach den Worten
von Mitsotakis ebenfalls ausgebaut: 15 000 neue Berufssoldaten sollen
in den kommenden fünf Jahren eingestellt werden.

Mitsotakis betonte, Griechenland sei bereit, die Differenzen im
Zusammenhang mit dem Erdgaskonflikt mit der Türkei friedlich zu
lösen. Wolle die Türkei dies ebenfalls und komme es dennoch zu keiner
Einigung, könne man das strittige Thema der Ausschließlichen
Wirtschaftszonen (AWZ) vor den Internationalen Gerichtshof bringen.

Auch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte die
Erdgaserkundungen der Türkei verurteilt und als «inakzeptabel»
kritisiert. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan
richtete daraufhin eine Warnung an Macron: «Legen Sie sich nicht mit
dem türkischen Volk an, legen Sie sich nicht mit der Türkei an»,
sagte er am Samstag bei einer Veranstaltung in Istanbul. «Herr
Macron, Sie werden noch viel mehr Probleme mit mir haben», kündigte
Erdogan an.

Macron und Partner aus dem europäischen Süden hatten die Türkei zum
Kurswechsel aufgefordert. Die EU hatte Ankara wegen der
Erdgaserkundungen bereits ein Ultimatum gestellt und mit zusätzlichen
Sanktionen gedroht. Wenn es in den nächsten Wochen keine Fortschritte
beim Dialog gebe, könne beim EU-Sondergipfel am 24. September eine
Liste weiterer Strafmaßnahmen diskutiert werden, hatte der
EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Ende August angekündigt. Diese
würden auch Wirtschaftssanktionen umfassen.