Plastikabgabe, Digitalsteuer und Co: Scholz für neue EU-Finanzquellen

13.09.2020 15:46

Die EU macht bis zu 750 Milliarden Euro Schulden für ihr
Corona-Konjunkturprogramm. Aber wie wird das Geld zurückgezahlt?
Finanzminister Scholz fordert rasche Entscheidungen.

Berlin (dpa) - Zur Finanzierung der europäischen Milliardenschulden
im Kampf gegen die Corona-Krise fordert Bundesfinanzminister Olaf
Scholz rasch neue eigene Geldquellen für die Europäische Union. Die
Entscheidung für neue EU-Eigenmittel müsse relativ bald fallen, sagte
der SPD-Politiker am Wochenende zum Abschluss eines EU-Treffens in
Berlin. Damit kommt er auch Forderungen des Europaparlaments in den
EU-Haushaltsverhandlungen entgegen, die nächste Woche in die
entscheidende Phase gehen könnten.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten im Juli zusätzlich zum
nächsten siebenjährigen Finanzrahmen von gut einer Billion Euro einen
Corona-Aufbauplan im Umfang von 750 Milliarden Euro beschlossen.
Dafür sollen erstmals im großen Stil für die EU Schulden aufgenommen

und über Jahrzehnte gemeinsam getilgt werden.

Die Entscheidung für dieses 750-Milliarden-Programm habe
Konsequenzen, sagte Scholz. Es gehe nicht, dass die EU Kredite
aufnehme, dann aber nicht festlegen, wie sie zurückgezahlt werden
sollten.

Bereits verabredet ist eine Abgabe auf nicht recyceltes Plastik ab 1.
Januar 2021. Doch sollen weitere EU-Eigenmittel folgen, so Einnahmen
aus einem erweiterten europäischen Emissionshandel, aus CO2-Zöllen,
aber womöglich auch aus Digital- und Finanzmarktsteuern. Die
EU-Kommission soll dazu konkrete Vorschläge ausarbeiten.

Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass eine Einigung gelingt und
dass die EU damit enger zusammenwächst. «Wir werden dort Fortschritte
erleben, die lange als unmöglich schienen», sagte der Minister. Das
hofft auch das Europaparlament. Es fordert einen konkreten Fahrplan
für die Einführung der Eigenmittel und setzt dies als Hebel in den
Verhandlungen vor der Zustimmung zum Haushaltspaket ein.

Für Deutschland sind diese neuen EU-Geldquellen ebenfalls von
Bedeutung: Gibt es sie nicht, müssen die Schulden weitgehend aus
nationalen Beitragszahlungen getilgt werden, die den EU-Haushalt
bisher füllen. Deutschland ist bei weitem größter Nettozahler.

Scholz zeigte sich optimistisch, dass es in Sachen Digitalsteuer noch
eine globale Einigung geben könne - im Rahmen der Organisation für
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bis zum Jahresende. Wegen
Widerstands der USA ist jedoch unter anderen Frankreich skeptisch.
Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni kündigte an, die EU-Kommission
wolle im ersten Halbjahr 2021 notfalls einen eigenen Vorstoß machen,
wenn keine internationaler Konsens zustande komme. Das fordert auch
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire.

Die Steuer soll vor allem große amerikanische Technologie-Konzerne
wie Amazon oder Google ins Visier nehmen, die mit ihrem
Geschäftsmodell nach Ansicht von Kritikern zu wenig Abgaben in
einzelnen Märkten bezahlen. Die USA sind zögerlich. Im Gespräch ist
auch eine globale Mindestbesteuerung, die die Flucht großer Konzerne
in Steueroasen unattraktiv machen soll.

Die FDP warnte am Wochenende, eine einseitige europäische
Digitalsteuer könne Gespräche über die Bekämpfung illegitimer
Steuerpraktiken erschweren. Die Grünen dagegen stimmten Gentiloni zu.