Rechtsstaatlichkeits-Bericht: EU-Parlament für mehr Druck auf Polen

14.09.2020 20:34

Brüssel (dpa) - Abgeordnete des Europaparlaments haben eine Rückkehr
zur Rechtsstaatlichkeit in Polen angemahnt und mehr Druck auf die
konservative Regierung des EU-Staats gefordert. Trotz mehrerer
Anhörungen von Vertretern der polnischen Regierung, Aussprachen in
Ausschüssen und alarmierender Berichte mehrerer internationaler
Organisationen habe es bisher keine großen Fortschritte gegeben,
kritisierte Berichterstatter Juan Fernandez López Aguilar am Montag
im Plenum in Brüssel bei der Vorstellung eines Zwischenberichts.
Darin fordern die EU-Parlamentarier unter anderem erneut einen
zusätzlichen EU-Mechanismus, um auf die Wahrung der
Rechtsstaatlichkeit zu pochen.

EU-Kommissionsvize Vera Jourova nannte die jüngsten Entwicklungen in
Polen besorgniserregend. Das Land steht vor allem wegen einer
umstrittenen Justizreform und sogenannter LGBTI-freier Zonen in der
Kritik. Zu solchen Zonen hatten sich mehrere polnische Kommunen
erklärt. LGBTI steht für Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und
Intersexuelle. Die Vorsitzende des Ausschusses für die Gleichstellung
der Geschlechter im Europaparlament, Evelyn Regner, betonte im
Plenum, dass die Vergabe von EU-Geld dringend an die Einhaltung der
Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden müsse.

Der Rechtsstaatsmechanismus soll nach dem Willen des Parlaments eine
größere Rolle im mehrjährigen EU-Haushalt spielen. Länder wie Ungar
n
und Polen, denen Verstöße vorgeworfen werden, wehren sich jedoch
vehement dagegen. Der polnische rechtskonservative Abgeordnete Patryk
Jaki warf der EU in der Debatte vor, mit zweierlei Maß zu messen. Die
Ernennung von Richtern erfolge in Spanien etwa nach dem gleichen
Prinzip, aber werde nur in Polen kritisiert, so Jaki.

Die EU-Abgeordneten werden während der ersten Sitzung nach der
Sommerpause am Donnerstag über ihren Standpunkt zu dem
Zwischenbericht abstimmen. Wegen der Coronavirus-Pandemie tagen die
EU-Politiker in Brüssel und nicht wie gewohnt im französischen
Straßburg. Die Abstimmungen erfolgen per E-Mail.