Polen will Justizreform ohne Rücksicht auf EU durchziehen

16.09.2020 19:09

Warschau (dpa) - Polens Vize-Justizminister Sebastian Kaleta hat dazu
aufgerufen, die umstrittene Justizreform ohne Rücksicht auf Kritik
der EU durchzuziehen. Dies sei notwendig, um «zunehmende Anarchie und
das bewusste Untergraben der Gewaltenteilung» zu bremsen, schrieb der
Politiker am Mittwoch auf Twitter. Die Justiz mische sich unzulässig
in politische Entscheidungen ein. «Gerichte sollen nicht selbst
Gesetze machen, sondern sie anwenden!»

Am Dienstag hatte das Verwaltungsgericht Warschau entschieden, dass
der zur nationalkonservativen Partei PiS gehörende Ministerpräsident
Mateusz Morawiecki «eklatant» gegen gültige Gesetze verstoßen hat.
Er
hätte die Post für die Präsidentschaftswahl am 28. Juni nicht zur
Organisation einer Briefwahl verpflichten dürfen, ohne zuvor eine
rechtliche Grundlage zu schaffen. Am Mittwoch wiederum stoppte das
Oberste Gericht ein Reformgesetz, mit dem Beamten des ehemaligen
kommunistischen Sicherheitsapparats die Renten gekürzt werden sollen.

Die von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seit ihrem
Amtsantritt Ende 2015 angestoßene Justizreform ist ein zentraler
Streitpunkt zwischen Polen und EU. Justizminister Zbigniew Ziobro
argumentiert, das Justizsystem sei ineffizient und obendrein ein
Relikt der kommunistischen Diktatur. Kritiker werfen der Regierung
wiederum vor, die Kontrolle über die Justiz übernehmen zu wollen.