Streit um Sanktionen: EU-Außenminister beraten in Brüssel

21.09.2020 04:40

Zypern blockiert im Streit um die Türkei-Politik der EU die lange
geplanten Strafmaßnahmen gegen Unterstützer des belarussischen
Präsidenten Alexander Lukaschenko. Jetzt beraten erneut die
Außenminister. Sicher ist allerdings nur ein Sanktionsbeschluss.

Brüssel (dpa) - Die Außenminister der EU-Staaten wollen an diesem
Montag bei einem Treffen in Brüssel Sanktionen wegen Verstößen gegen

das UN-Waffenembargo gegen Libyen beschließen. Nach Angaben von
Diplomaten haben sich die Mitgliedstaaten im Vorfeld der Gespräche
auf eine Liste mit Unternehmen und Personen verständigt, die Schiffe,
Flugzeuge oder andere Logistik für den Transport von Kriegsmaterial
bereitstellt haben. Konkret soll es nach Angaben aus EU-Kreisen unter
anderem um Unternehmen aus der Türkei und Jordanien gehen.

Zudem soll bei dem Treffen in Brüssel über die jüngsten Entwicklungen

in Belarus und im Streit mit der Türkei um Erdgaserkundungen im
östlichen Mittelmeer beraten werden. Druck dürfte es dabei vor allem
auf das kleine EU-Land Zypern geben, das derzeit geplante
EU-Sanktionen gegen Unterstützer des belarussischen Präsidenten
Alexander Lukaschenko blockiert, um die anderen Mitgliedstaaten zur
Unterstützung neuer Sanktionen gegen die Türkei zu bewegen.

Zypern und Griechenland fordern von der EU schon seit langem,
schärfer auf von ihnen als illegal erachtete türkische
Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer zu reagieren. Andere
EU-Staaten sind allerdings der Ansicht, dass dies laufende
Vermittlungsbemühungen von Ländern wie Deutschland erschweren könnte.

Sie wollen deswegen noch abwarten, bevor sie neuen, von Zypern
vorgeschlagenen Türkei-Sanktionen zustimmen.

Für die EU ist das Vorgehen Zyperns höchst unangenehm, weil der
Auswärtige Dienst zuletzt mehrfach angekündigt hatte, dass die neuen
Belarus-Sanktionen in Kürze in Kraft treten könnten. Mit den
Strafmaßnahmen will die EU Druck auf die Führung des Landes aufbauen
und ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen setzen.

In der ehemaligen Sowjetrepublik gibt es seit der Präsidentenwahl am
9. August Proteste und Streiks gegen den autoritären Staatschef
Lukaschenko, der bereits 26 Jahren an der Macht ist. Auslöser sind
Fälschungsvorwürfe gegen die Wahl, nach der sich Lukaschenko mit 80,1
Prozent der Stimmen zum Sieger hatte erklären lassen.

Die Libyen-Sanktionen sollen Unternehmen und Einzelpersonen dazu
bewegen, sich nicht weiter an Verstößen gegen das UN-Waffenembargo zu
beteiligen. In dem nordafrikanischen Land herrscht seit dem Sturz von
Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 Bürgerkrieg. Die
Regierungstruppen werden von der Türkei unterstützt, ihr Gegner,
General Chalifa Haftar, wiederum von Ägypten, Jordanien, den
Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland. Alle Versuche, in dem
Konflikt zu vermitteln, blieben bisher erfolglos - auch eine
Libyen-Konferenz in Berlin im Januar.

Für Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien ist eine Lösung
auch wichtig, weil die chaotischen Zustände das Geschäft von
Schlepperbanden begünstigen, die Migranten illegal über das
Mittelmeer nach Europa bringen.

Direkt vor dem Beginn der Beratungen wird es auf Einladung des
EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ein Frühstück mit der ins Exil
geflüchteten belarussischen Oppositionellen Swetlana Tichanowskaja
geben, an dem auch Bundesaußenminister Heiko Maas teilnehmen will.
«Wir halten es für eine gute Gelegenheit, mit ihr über die
Entwicklungen in Belarus und insbesondere über die Erwartungen der
Opposition zu diskutieren», erklärte ein ranghoher EU-Beamter in
Brüssel. Ein Gespräch mit Tichanowskaja sei auch der beste Weg, um
sich aus erster Hand über die Pläne der Opposition zu informieren.