Scheuer für mehr Bahn-Direktverbindungen zwischen EU-Städten Von Matthias Arnold, dpa

21.09.2020 16:36

Mehr Direktverbindungen zwischen EU-Metropolen: Verkehrsminister
Scheuer will den «Trans-Europ-Express» wieder aufleben lassen. Das
finden viele gut. Doch die Umsetzung wird kompliziert.

Berlin (dpa) - Die meisten Ideen für mehr Bahnverkehr in Europa, die
Industrie und Politik derzeit vortragen, sind alt. Dazu gehört etwa
der Ausbau der Gleis-Infrastruktur oder das automatische Kuppeln von
Güterzügen. Dazu zählt auch die Vorstellung von mehr
Direktverbindungen zwischen europäischen Großstädten. 30 Jahre lang
verband der «Trans-Europ-Express» (TEE) westeuropäische Metropolen
miteinander, bevor er 1987 eingestellt wurde. Angetrieben von
mächtigen Dieselloks sollte er schon damals eine komfortable
Alternative zum Luftverkehr bieten.

Am Montag präsentierte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)
ein Konzept, um den TEE wieder aufleben zu lassen: Mit einer
Kombination aus Hochgeschwindigkeits- und Nachtzügen will der
Minister zunächst solche transeuropäische Strecken anbieten, für die

keine größeren Infrastrukturmaßnahmen notwendig sind. Dazu gehören

etwa durchgehende Verbindungen zwischen Amsterdam und Rom, Paris und
Warschau oder Berlin und Barcelona. Mit Fahrzeiten von rund 13
Stunden sollen diese Städte untereinander erreichbar sein.

In einer zweiten Phase soll dann auch der süddeutsche Raum stärker
mit Zielen in Ost- und Südeuropa sowie Skandinavien angebunden
werden. Diese Trassen sollen dann möglich werden, wenn große
Infrastrukturprojekte wie Stuttgart 21, die Fehmarnbeltquerung oder
der Brenner Basistunnel fertig gestellt sind.

Für den Betrieb des «TEE 2.0», wie Scheuer das Projekt taufte,
schwebt dem Minister ein neues Unternehmen vor, das von den
nationalen Eisenbahnunternehmen (EVU) getragen werden soll. «Diese
Gesellschaft wird als eigenständiges EVU zugelassen, kauft für die
Produktion jedoch Dienstleistungen bei den Muttergesellschaften ein»,
heißt es in Scheuers Entwurf.

«Unser Konzept wird die Grundlage sein, auf der die Unternehmen mit
Hochgeschwindigkeitszügen und Nachtzügen attraktive Verbindungen
fahren können», sagte Scheuer am Montag. «Ein solches TEE-Netz für

Hochgeschwindigkeits- und Nachtzugangebote kann bis 2025 stehen, wir
müssen den Einstieg jetzt schaffen.» Der Minister wiederholte zudem
die Forderung nach EU-Förderprogrammen, um Investitionen und
Anschaffungen für die Bahnunternehmen attraktiver zu machen.

Schon Mitte Juni hatte der Minister neue Angebote für direkte
Bahnverbindungen zwischen europäischen Großstädten ins Gespräch
gebracht und angekündigt, während der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft einen Vorschlag zu machen, wie der TEE über
Grenzen hinweg organisiert werden könnte.

Eine Wiederbelebung des TEE stößt vielerorts auf Zustimmung.
«Erstmals ist es eine Notwendigkeit in Richtung Klimawandel», sagte
am Montag etwa Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender
beim Fahrgastverband Pro Bahn. «Und es wäre zweifelsfrei auch eine
Ergänzung zum Deutschlandtakt.» So will es auch Scheuer verstanden
wissen. Mit dem Deutschlandtakt sollen Züge zwischen den großen
Städten in Deutschland im Halbstunden-Rhythmus fahren. Es geht aber
auch um bessere Anschlüsse zwischen Fern- und Regionalverkehr.

Mit einem potenziellen TEE-Netz will Scheuer den Takt auf Europa
übertragen: «Der TEE 2.0 verknüpft die jeweils landesweit optimierten

Systeme bestmöglich zu einem europäischen Angebot», heißt es im
Konzept.

Der Ökologische Verkehrsclub Deutschland hofft, dass der neue TEE das
Projekt wird, «das wieder deutlich macht, wofür es eine Europäische
Union braucht: Um Grenzen zu überwinden und Menschen
zusammenzubringen.» Jedoch brauche es dafür mehr als nur
Lippenbekenntnisse. «Die EU selbst muss sich dem Projekt jetzt
annehmen.» Scheuer schaltete sich im Anschluss an sein Statement mit
seinen EU-Amtskollegen zusammen, um dort über die Pläne zu sprechen.


Die Herausforderungen sind enorm - allein technisch. EU-weit gibt es
unterschiedliche Strom- und Zugsicherungssysteme. Hinzu kommen
verschiedene Vertriebs- und Tarifgestaltungen der nationalen
Bahnunternehmen. Auch die Themen Nachtzüge und Reservierungspflicht
dürfte die Gemüter spalten. Während etwa die Österreichische
Bundesbahn ihr Nachtzugangebot in den vergangenen Jahren kräftig
hochgefahren hat, verweist die Deutsche Bahn stets auf die nach wie
vor geringe Nachfrage und gibt sich zurückhaltend.

Allerdings hatte Bahnchef Richard Lutz sich zuletzt ebenfalls für
mehr europäische Expressverbindungen ausgesprochen: «Denken wir an
leistungsfähige, voll auf den Kunden ausgerichtete
Expressverbindungen - sozusagen eine europäische Metropolen-S-Bahn
von Stockholm bis Rom», schrieb er auf dem Jobportal LinkedIn.
«Denken wir an grenzüberschreitende Regionalbahnnetze für den kleinen

Grenzverkehr. Und denken wir an mehr Initiativen für
länderübergreifendes Marketing.»

Scheuer strebt noch in diesem Jahr eine gemeinsame Absichtserklärung
der EU-Staaten für den Personenverkehr an. Für den Güterverkehr
präsentierte er diese bereits am Montag: In einer gemeinsamen
Erklärung bekannten sich die EU-Verkehrsminister zu mehr Engagement
für besseren und schnelleren, grenzüberschreitenden Güterverkehr au
f
der Schiene.