EU-Digitalminister wollen Europäische Cloud-Föderation gründen

15.10.2020 15:01

Auch in Europa betreiben immer weniger Unternehmen eigene
Rechenzentren. Sie verlassen sich stattdessen auf Rechenleistung und
Speicherplatz aus dem Internet. Um nicht gegenüber den USA und China
abgehängt zu werden, soll nun ein europäischer Cloud-Verbund her.

Berlin (dpa) - Die europäischen Digital- und
Telekommunikationsminister wollen Europa zu einem internationalen
Umschlagplatz für Datenverarbeitung machen. Dazu haben sich die
Minister bei einem virtuellen Treffen unter der Leitung von
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag für die
Gründung einer Europäischen Cloud-Föderation ausgesprochen. Von den
27 EU-Mitgliedsstaaten unterzeichneten am Donnerstag 25 Länder die
gemeinsame Erklärung. Altmaier sagte, die Vertreter der beiden
fehlenden Länder - Zypern und Dänemark - müssten die Erklärung vor

der Unterzeichnung noch im Heimatland abstimmen.

Die EU reagiert damit auf einen großen technischen Paradigmenwechsel
der vergangenen Jahre. Viele Unternehmen und Organisationen lagern
Computer-Rechenleistungen, Datenspeicher und Datenbanken sowie
Anwendungen zur Analyse von Daten über das Internet in die «Cloud»
aus. Im globalen Wettbewerb hat die EU allerdings gegen
Cloud-Anbieter aus den USA und China wenig entgegenzusetzen. Mit
Amazon (AWS), Microsoft (Azure) und Google kommen drei der vier
weltgrößten Anbieter aus den Vereinigten Staaten. Aus China heraus
versucht Alibaba seine dominante Position auf dem heimischen Markt
auch in einen Exporterfolg umzuwandeln.

In dem von der EU-Kommission aufgesetzten Papier, das zwischen den
Mitgliedstaaten verhandelt wurde, verpflichten sich die Länder, in
die nächste Generation von vertrauenswürdigen, sicheren und
energieeffizienten Cloud- und Datenverarbeitungstechnologien zu
investieren. Die Mitgliedsstaaten beauftragen die EU-Kommission,
Cloud-Strategien innerhalb der EU zu vereinheitlichen. Außerdem
sollen Anstrengungen in der Entwicklung von Technologie zur
Künstlichen Intelligenz gebündelt werden.

Der für Binnenmarktfragen zuständige EU-Kommissar Thierry Breton
sagte, Europa habe bei der Auswertung der privaten Daten nicht
richtig reagiert. Bei der Auswertung der Daten aus der Industrie und
der kritischen Infrastruktur, also etwa der Wasser- und
Energieversorgung, wolle man aber gleich zu Beginn an der Spitze
stehen. Die Kommission selbst werde zwei Milliarden Euro aus den
Digitalprogrammen des EU-Haushaltes für die Pläne im Bereich Cloud
und Daten in die Hand nehmen.

Altmaier sagte, die digitale Transformation sei wie die Klimapolitik
ein Schlüsselbereich für die EU-Kommission. «Europa muss in einigen
Bereichen aufholen. Wir müssen besser werden. Wir müssen schneller
werden. Wir müssen innovativer werden.» In diesem Kontext gehe es
auch um die Rahmenbedingungen für die Künstliche Intelligenz.

Im Vergleich zu den USA oder China seien die einzelnen
EU-Mitgliedstaaten relativ klein. Und da außerdem in Europa vor allem
kleine und mittelständische Unternehmen großes Gewicht hätten,
verfüge Europa «über sehr viele kleine Datenseen und nicht von
vornherein über ein großes Datenmeer, das es uns erlaubt, Anwendungen
mit Algorithmen etwa vorzubereiten und zu entwickeln». Deshalb
diskutiere man über die Prinzipien für ein künftiges europäisches
Rahmenwerk zur Künstlichen Intelligenz, das es den Mitgliedsstaaten
ermögliche, die Kräfte zu bündeln.

Der Digitalverband Bitkom begrüßte die Erklärung: «Die Initiative d
er
EU-Länder ist ein Durchbruch für eine gemeinsame europäische
Cloud-Politik», sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. Das gelte auch für

das Anliegen, ein Regelbuch für die Cloud zu erarbeiten. «Dieses
Regelbuch muss auf Basis passender und sachgerechter bestehender
technischer Standards und Normen entwickelt werden.»

Letztlich reichten gemeinsame Erklärungen aber nicht aus. Für eine
europäische Cloud- und Dateninfrastruktur spiele die
deutsch-französische Organisation Gaia-X eine entscheidende Rolle.
Mit Gaia-X entwickeln nach Ministeriumsangaben Vertreter aus Politik,
Wirtschaft und Wissenschaft aus Frankreich und Deutschland gemeinsam
mit weiteren europäischen Partnern einen Vorschlag zur Gestaltung der
nächsten Generation einer Dateninfrastruktur für Europa. Gaia-X müsse

möglichst schnell mit echtem Mehrwert für Anwender an den Markt
gebracht werden, meinte der Bitkom-Präsident.