Britischer Staatsminister: Brexit-Handelspakt wird unwahrscheinlicher

18.10.2020 13:00

London/Brüssel (dpa) - Im Brexit-Streit sind die Chancen auf einen
Handelspakt mit der Europäischen Union aus Sicht der britischen
Regierung gesunken. Brüssel sei nicht kompromissbereit, kritisierte
Staatsminister Michael Gove am Sonntag im Interview des Senders Sky
News. Gove hatte die Chancen auf ein Abkommen nach der
Brexit-Übergangsphase Ende des Jahres zuletzt auf 66 Prozent
eingeschätzt. Jetzt sagte er: «Es ist weniger.»

Nun liege es am EU-Unterhändler Michel Barnier, ob ein Deal doch noch
zustande komme. «Der Ball ist in seinem Spielfeld», sagte Gove, der
mit den Vorbereitungen für ein Scheitern der Verhandlungen betraut
ist. Die EU müsse ihre Haltung ändern. Barnier und der britische
Unterhändler David Frost wollten in den kommenden Tagen über das
weitere Vorgehen miteinander telefonieren, berichtete Gove weiter.

Ursprünglich hatte Barnier an diesem Montag für Gespräche in London
sein wollen und angeboten, auch die darauffolgenden Tage intensiv
weiterzuverhandeln. Ob es dazu kommt, war am Sonntag allerdings
völlig unklar. Ein Sprecher der EU-Kommission wollte sich nicht zum
Planungsstand äußern. Er verwies lediglich auf Ankündigungen vom
Freitag, nach denen Barnier und Frost an diesem Montag über die
«Struktur» der weiteren Verhandlungen sprechen wollen.

Frost hatte mitgeteilt, Barnier solle am Montag nicht zu Gesprächen
nach London kommen. Eine Sprecherin der britischen Regierung wollte
sich nicht weiter dazu äußern.

Großbritannien hatte die Staatengemeinschaft Ende Januar verlassen,
ist aber bis Jahresende noch Mitglied im EU-Binnenmarkt und in der
Zollunion. Erst danach kommt der wirtschaftliche Bruch. Sollte keine
Einigung zustande kommen, drohen schwere wirtschaftliche
Verwerfungen. Der Handelsvertrag soll genau das verhindern. Die
Verhandlungen kommen aber seit Monaten in einigen Bereichen nicht
voran.

Hauptstreitpunkte sind der Zugang von EU-Fischern zu britischen
Gewässern und die Forderung der Staatengemeinschaft nach gleichen
Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft, also gleiche Umwelt-,
Sozial- und Subventionsstandards. Im Gegenzug soll Großbritannien
Waren ohne Zoll und Mengenbeschränkung in den EU-Binnenmarkt liefern
können. Dritter wichtiger Punkt für Brüssel sind Regeln zur
Schlichtung für den Fall, dass eine Seite gegen den Deal verstößt.