EZB bleibt in Corona-Krise in Alarmbereitschaft

29.10.2020 13:49

Die Pandemie hat Europa fest im Griff, die Erholung der Wirtschaft
gerät ins Stocken. Europas Währungshüter sehen dies mit Sorge. Noch
legt die EZB aber nicht nach.

Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hält sich in
der Corona-Krise weitere Notfallmaßnahmen offen. Zunächst bleiben
sowohl das milliardenschwere Anleihenkaufprogramm als auch die Zinsen
unverändert, wie der EZB-Rat am Donnerstag entschied. Die seit einem
Jahr amtierende Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde hatte jedoch
kürzlich betont: «Wenn mehr getan werden muss, werden wir mehr tun.»


Zuletzt mehrten sich die Anzeichen, dass die Erholung der Konjunktur
im Euroraum ins Stocken gerät. Das Coronavirus breitet sich wieder
massiv aus. In vielen Ländern wird das öffentliche Leben erneut
eingeschränkt. Viele Volkswirte gehen davon aus, dass Europas
Währungshüter im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie
noch einmal nachlegen werden.

In der Dezember-Sitzung des EZB-Rates (10.12.) könnte die EZB ihr
Notkaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen nochmals
ausweiten. Dann liegen der Notenbank neueste Prognosen zur
Entwicklung von Konjunktur und Inflation vor. Bislang sind für das
PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) 1,35 Billionen Euro bis
mindestens Ende Juni 2021 veranschlagt.

Bei den Zinsen hat die EZB wenig Spielraum. Der Leitzins im Euroraum
liegt seit viereinhalb Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent.
Geschäftsbanken müssen seit Mitte Juni 2014 Zinsen zahlen, wenn sie
Geld bei der Notenbank parken. Aktuell liegt dieser Einlagenzins bei
minus 0,5 Prozent. Freibeträge für bestimmte Summen sollen die Banken
hierbei entlasten.

Nach Einschätzung der Bundesbank waren die Negativzinsen bislang in
Summe kein Problem für Deutschlands Banken. Allerdings nehme die
Wahrscheinlichkeit zu, dass in einer Gemengelage aus
Konjunkturabschwung, steigender Risikovorsorge und schrumpfenden
Eigenkapitalpuffern ein Punkt erreicht werde, an dem Negativzinsen
ihre Wirkung einbüßten oder sich diese in ihr Gegenteil verkehre.

Mit ihrer seit Jahren expansiven Geldpolitik will die EZB die
Wirtschaft ankurbeln und ihrem Ziel eines stabilen Preisniveaus bei
knapp unter 2,0 Prozent Inflation näher kommen. Umweltschützer werfen
der EZB vor, bei ihren milliardenschweren Anleihenkäufen zu viele
Wertpapiere von Unternehmen zu kaufen, die dem Klima schaden. Das
globalisierungskritische Netzwerk Attac hatte daher für Donnerstag
zur Demonstration vor dem EZB-Gebäude in Frankfurt aufgerufen.

Derzeit läuft eine umfassende Überprüfung der geldpolitischen
Strategie. Dabei setzt EZB-Präsidentin Lagarde unter anderem auf den
Dialog mit Kritikern. Die Französin, die ihr Amt am 1. November 2019
antrat, will auch dem Klimawandel in den Überlegungen Raum geben.