EuGH: Chance auf Flüchtlingsschutz für syrische Wehrdienstverweigerer

19.11.2020 13:24

Luxemburg (dpa) - Wer im Bürgerkriegsland Syrien den Wehrdienst
verweigert, hat nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gute
Aussichten auf die Anerkennung als Flüchtling in der EU. In vielen
Fällen sei die Verweigerung Ausdruck politischer oder religiöser
Überzeugung oder habe ihren Grund in der Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe, befanden die Richter am Donnerstag in
Luxemburg (Rechtssache C-238/19). Somit wäre die Voraussetzung für
die Anerkennung als Flüchtling gegeben.

Hintergrund ist ein Fall in Deutschland, bei dem ein Wehrpflichtiger
aus Syrien geflohen ist, um den Dienst nicht antreten zu müssen. Das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gewährte ihm jedoch
nur subsidiären Schutz - und keinen Flüchtlingsstatus. Für subsidiä
r
Schutzberechtigte ist etwa die Möglichkeit des Familiennachzugs
begrenzt. Hier gilt in Deutschland derzeit ein Kontingent von 1000
Personen pro Monat.

Das Bamf argumentierte, dass der Betroffene selbst keine Verfolgung
erlitten habe, die ihn zur Ausreise gedrängt habe. Da er vor dem
Bürgerkrieg geflohen sei, habe er zudem keine Verfolgung zu
befürchten, wenn er zurückkehre. Es fehle an einer Verknüpfung
zwischen seiner Flucht und einem der fünf Verfolgungsgründe für die

Anerkennung als Flüchtling. Dies sind Rasse, Religion, politische
Überzeugung, Staatsangehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe. Der Syrer klagte gegen die Entscheidung.

Der EuGH stellte nun klar: «In vielen Fällen ist die Verweigerung des

Militärdienstes gewiss Ausdruck politischer Überzeugungen (...),
religiöser Überzeugungen oder hat ihren Grund in der Zugehörigkeit zu

einer bestimmten sozialen Gruppe.» Somit spreche eine starke
Vermutung dafür, dass die Bedingungen für die Anerkennung als
Flüchtling nach EU-Recht erfüllt seien.

Die Menschenrechtsorganisation ProAsyl wertete das Urteil als großen
Erfolg. «Die rechtswidrige Praktik des Bamf, syrischen
Kriegsdienstverweigerern den vollen Flüchtlingsstatus zu verweigern,
muss nun aufhören. Wer vor dem Terrorregime Assads flieht und sich
dem Wehrdienst entzieht, hat ein Recht auf Asyl», sagte
Geschäftsführer Günter Burkhardt.