Nüchterne Bilanz: Militärprojekte der EU kommen nur schleppend voran

20.11.2020 16:54

Keine sichtbaren Ergebnisse und geringe Ambitionen: Etliche Projekte
für eine engere militärische Zusammenarbeit in der EU zeigen nicht
die erhofften Resultate. Eine strategische Überprüfung soll nun
Konsequenzen haben.

Brüssel (dpa) - Der geplante Aufbau einer europäischen
Verteidigungsunion kommt nur schleppend voran. Durch die
Kooperationsplattform Pesco sei zwar wichtige strukturelle
Grundlagenarbeit geleistet worden und es gebe auch erste praktische
Fortschritte, heißt es in einer als Verschlusssache eingestuften
Analyse der Bundesregierung, die der Deutschen Presse-Agentur
vorliegt. Gleichzeitig zeige die Bilanz nach drei Jahren, dass
bislang kein Durchbruch erreicht worden sei, der die europäische
Handlungsfähigkeit signifikant steigere.

Die maue Zwischenbilanz der Pesco war am Freitag auch Thema einer
Videoschalte der EU-Verteidigungsminister. Sie verständigten sich
nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium in Berlin darauf,
Projekte, die nicht die erhofften Resultate erzielen, in andere
Projekte zu überführen oder auch zu beenden. Zudem sollen die
Initiativen zukünftig noch stärker auf die operative
Handlungsfähigkeit für Einsätze ausgerichtet werden.

Bei ihnen geht es unter anderem um den Aufbau eines
Koordinierungszentrum für militärische Aktivitäten im Cyberraum, die

Entwicklung eines unbemannten Systems zur U-Boot-Bekämpfung oder die
Verbesserung der Ausbildung von Soldaten.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
betonte nach den Beratungen, dass man sich einig sei, dass Europa
handlungsfähig und souverän sein müsse. Dazu brauche es aber nicht
nur gute Ideen, sondern auch die Instrumente.

Die Kooperationsplattform Pesco war im Dezember 2017 gestartet worden
- auch um die EU im Bereich der Verteidigung flexibler und
unabhängiger von den USA zu machen. Sie ist als tragende Säule der
europäischen Verteidigungsunion gedacht und wird von allen EU-Staaten
mit Ausnahme von Malta und Dänemark unterstützt.

Als ein Grund für den bislang insgesamt eher mäßigen Erfolg der
Initiative wird genannt, dass Projekte fehlen, die bedeutende
Fähigkeitslücken schließen. Zudem genieße die Pesco als militäris
cher
Handlungsrahmen bislang nicht in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten
ausreichend hohe politische Priorität, heißt es in der Analyse der
Bundesregierung.

So liefere ein Teil der bislang 47 Projekte noch keine sichtbaren
Ergebnisse. Diesen «schwachen Umsetzungsstand» und das «fehlende
Ambitionsniveau» einiger Projekte habe auch der EU-Außenbeauftragte
Josep Borrell in seinem im April vorgelegten Bericht zur Pesco
deutlich gemacht.

Öffentlich rief Borrell am Freitag zu Geduld auf. «Im
Verteidigungsbereich gibt es keine Ergebnisse innerhalb eines
Jahres», erklärte er. Dies erfordere mehr Zeit. Zugleich räumte er
ein, dass vermutlich lediglich 26 der derzeitigen Projekte bis 2025
konkrete Resultate liefern würden.

Als ein erfolgreiches Pesco-Projekt gilt der von Deutschland
koordinierte Aufbau eines europäischen Sanitätskommandos. Es soll
bereits bis Ende 2021 voll einsatzfähig sein und als Koordinierungs-
und Führungselement für die Sanitätsdienste der europäischen
Streitkräfte dienen.

Die Bundesregierung will die «nüchterne Bilanz» der ersten Jahre
ihrem Bericht zufolge als Ansporn nehmen, «sich weiter engagiert für
die Weiterentwicklung der Pesco einzusetzen». Einen wichtigen Rahmen
dafür böten die laufenden Arbeiten am Strategischen Kompass, dem
zukünftigen sicherheits- und verteidigungspolitischen
EU-Grundlagendokument.