Milliarden gegen die Krise: EU bringt Corona-Aufbaufonds an den Start Von Verena Schmitt-Roschmann und Theresa Münch, dpa

10.02.2021 14:34

Vor einem halben Jahr einigten sich die EU-Staaten auf ein
beispielloses Programm gegen die beispiellose Rezession. Jetzt ist
der Aufbaufonds so gut wie startklar. Doch eine Hürde bleibt.

Brüssel/Berlin (dpa) - Mit vereinten Kräften und Hunderten
Milliarden Euro gegen die Corona-Wirtschaftskrise: Der große Plan der
EU-Staats- und Regierungschefs vom Sommer 2020 wird nun endlich
konkret. Der Corona-Aufbaufonds soll in den nächsten Tagen starten,
nachdem das Europaparlament am Mittwoch endgültig zugestimmt hat.
Damit ist der Grundstein für die Auszahlung der Milliarden gelegt,
auch an Deutschland. Das erste Geld kann aber wohl erst im Sommer
fließen.

RRF, was ist das?

Insgesamt will die Europäische Union gemeinsam 750 Milliarden Euro in
den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Pandemie stecken. Das
Programm heißt Next Generation EU. Herzstück ist der Aufbaufonds - im
EU-Jargon Aufbau- und Resilienzfaszilität, auf Englisch Recovery and
Resilience Facility oder RRF. Über diesen Finanztopf sollen 672,5
Milliarden Euro direkt an die Mitgliedsstaaten verteilt werden, davon
312,5 Milliarden als Zuschüsse und bis zu 360 Milliarden Euro als
Darlehen. Der Rest der 750 Milliarden wird über Programme im
EU-Haushalt ausgereicht. Die Summen sind übrigens alle in Preisen von
2018 angegeben.

Warum ist das politisch bedeutsam?

Erstmals wird die EU-Kommission derart große Summen als gemeinsame
Schulden aufnehmen. Und erstmals wird schuldenfinanziertes Geld als
Zuschuss an EU-Staaten vergeben. Die Darlehen zahlen alle 27 Staaten
gemeinsam über Jahrzehnte zurück. Den von der Pandemie besonders hart
getroffenen Ländern stehen die größten Summen in Aussicht: Italien
kann nach Schätzungen 65,5 Milliarden Euro allein an Zuschüssen
bekommen, Spanien rund 59 Milliarden Euro. Darlehen in Höhe von bis
zu 6,8 Prozent der Wirtschaftsleistung von 2019 können hinzukommen.
Deutschland kann nach jetzigem Stand 22,7 Milliarden Euro Zuschüsse
erwarten. Es wird also kräftig umverteilt. Ziel ist, die
wirtschaftliche Kluft in der EU zu verkleinern und den Binnenmarkt zu
stärken, von dem gerade Deutschland profitiert.

Wofür soll das Geld ausgegeben werden?

Die Milliarden sollen Wachstum und Jobs anstoßen, aber gleichzeitig
die europäische Wirtschaft moderner und umweltfreundlicher machen.
Deshalb sollen mindestens 37 Prozent der Mittel aus dem RRF für
Klimaschutz ausgegeben werden und 20 Prozent für Digitalisierung.
Weitere Schwerpunkte sind der wirtschaftliche und soziale
Zusammenhalt und die Stärkung öffentlicher Einrichtungen. Details
sind ist im RRF-Rechtsrahmen festgelegt, den das EU-Parlament jetzt
endgültig gebilligt hat.

Wie kommen die EU-Staaten an die Milliarden?

Die 27 Regierungen müssen bei der EU-Kommission detaillierte
RRF-Pläne einreichen. Diese müssen die Finanzierungsziele für Grüne
s
und Digitales belegen. Zudem sollen die Milliarden aus Brüssel dazu
beitragen, die wirtschaftspolitischen Empfehlungen zum engeren
Zusammenwachsen der EU umzusetzen. Nach Angaben der EU-Kommission
haben 18 Staaten Entwürfe vorgelegt, sechs weitere haben zumindest
Ansätze. Von drei Staaten liege noch nichts vor, sagten EU-Beamte am
Montag. Italien ist im Streit über die Verwendung der Geldspritze in
eine Regierungskrise gestürzt.

Was will Deutschland mit seinem Anteil machen?

Die Bundesregierung will je 40 Prozent des Geldes in Klimaschutz und
Digitalisierung stecken und liegt damit über den europäischen
Vorgaben. Aufgelistet werden etwa Projekte für erneuerbaren
Wasserstoff, klimafreundliche Mobilität, klimafreundliches Bauen und
die Erforschung von Impfstoffen gegen das Coronavirus. Das Geld soll
aber auch in digitale Bildung, ein technisch besser ausgestattetes
Gesundheitssystem und eine digital besser aufgestellte Verwaltung
fließen - Punkte, bei denen die Corona-Krise deutliche Defizite
offenlegte. Auch der deutsche Entwurf muss noch auf EU-Ebene
diskutiert werden. Kritisiert wird schon jetzt, dass der Bund das
Geld vor allem in Projekte stecken will, die ohnehin geplant waren.

Was sind die nächsten Schritte?

Sobald der Rechtsrahmen in den nächsten Tagen in Kraft getreten ist,
können die EU-Staaten offiziell ihre Anträge stellen. Die Frist läuft

bis mindestens 30. April. Die EU-Kommission prüft die Vorlagen binnen
acht Wochen, dann muss der Rat der EU-Staaten sie billigen. Das Geld
soll in Tranchen fließen, sofern Zusagen eingehalten werden. Eine
wichtige Hürde ist aber vor den ersten Auszahlungen noch zu nehmen:
Alle 27 EU-Staaten müssen den sogenannten Eigenmittelbeschluss
ratifizieren. Das ist die rechtliche Grundlage dafür, dass die
EU-Kommission Schulden für den Aufbauplan aufnehmen kann.