EU berät über neue Sanktionen gegen Russland und Myanmar

22.02.2021 04:45

Die Forderungen der EU nach sofortiger Freilassung des Kremlkritikers
Alexej Nawalny zeigen bislang keinerlei Wirkung. Nicht viel anders
sieht es mit den Appellen an die Militärs in Myanmar aus. Die
Außenminister dürften nun Konsequenzen ziehen. Moskau droht bereits.

Brüssel (dpa) - Die Außenminister der EU-Staaten beraten an diesem
Montag (9.15 Uhr) über die jüngsten Entwicklungen im Fall Alexej
Nawalny und die Lage in Myanmar. Nach Angaben von Diplomaten wird
erwartet, dass bei dem Treffen in Brüssel neue Sanktionen auf den Weg
gebracht werden. Sie könnten zum Beispiel Verantwortliche für die
Inhaftierung des russischen Oppositionspolitikers und die Anführer
des jüngsten Militärputsches in dem südostasiatischen Land Myanmar
(ehemals: Birma) treffen.

Am Rande der EU-Beratungen ist zudem eine Videoschalte mit dem neuen
US-Außenminister Antony Blinken geplant. Bei ihr soll es um die
Beziehungen zwischen der EU und den USA nach dem Machtwechsel im
Weißen Haus gehen. In der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump war
das Verhältnis zwischen der EU und den USA stark angespannt gewesen.
Sein Nachfolger Joe Biden will dies nun wieder ändern.

Weitere Themen des Außenministertreffens sind die Bemühungen zur
Rettung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran und eine
EU-Initiative zur Stärkung einer gemeinsamen europäischen
Sicherheits- und Verteidigungskultur. Für Deutschland wird
Bundesaußenminister Heiko Maas zu den Gesprächen erwartet.

Im Fall Nawalny fordert die EU seit nunmehr rund drei Wochen
erfolglos die Freilassung des Kremlkritikers. Moskau weist dies als
Einmischung in innere Angelegenheiten zurück. Der 44-Jährige war
Anfang Februar in Moskau verurteilt worden, weil er aus Sicht der
Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren
Strafverfahren von 2014 wegen Betrugs und Veruntreuung von Geldern
verstoßen hat.

In einem Berufungsverfahren bestätigte die Justiz am vergangenen
Samstag nun die verhängte Straflagerhaft. Ebenfalls am Samstag wurde
Nawalny dann noch zu einer Geldbuße verurteilt, weil er einen
Weltkriegs-Veteranen beleidigt haben soll.

Der Oppositionspolitiker hatte sich zuvor im Januar zur Rückkehr in
seine Heimat entschieden, obwohl er dort im vergangenen August Opfer
eines Anschlags mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift
Nowitschok geworden war. Er war dann bei seiner Ankunft festgenommen
worden.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warf Moskau im Fall Nawalny
Aggressivität und Realitätsferne vor. Die Beziehungen zwischen der EU
und Russland seien seit der Krim-Annexion von 2014 in einer schweren
Krise. «Leider scheint es, als hätten wir den Tiefpunkt noch nicht
erreicht», sagte Asselborn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(Montag). Der russische Außenminister Sergej Lawrow wolle nicht
einmal mehr ausschließen, dass sein Land die Beziehungen zur EU
abbrechen werde. «Das geht schon tief», sagt Asselborn. «Ich kann
jeden verstehen, der sich jetzt voller Sorge fragt: Steuern wir auf
einen neuen Kalten Krieg zu?» Allerdings werde die EU Verstöße gegen

Menschenrechte nicht dulden. «Appeasement wird es in dieser Sache
nicht geben.»

Noch vor Beginn der Gespräche der EU-Minister lag bereits die erste
Drohung aus Moskau auf dem Tisch. Russlands EU-Botschafter Wladimir
Tschischow warnte die Europäer vor neuen Sanktionen gegen sein Land.
«Wenn und falls das passiert, werden wir vorbereitet sein zu
antworten», sagte er der «Welt» (Montag). «In jedem Fall werden
Russlands Maßnahmen auf Fakten und Analyse und nicht auf Vermutungen
und Emotionen basieren», kündigte er an. Viele Entscheidungen der EU
seien bisher «unlogisch und erstaunlich politisiert» gewesen.

Wegen des Anschlags auf Nawalny, der danach in Deutschland behandelt
wurde, hatte die EU bereits im vergangenen Jahr Einreise- und
Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von
Präsident Wladimir Putin verhängt. In Brüssel wird davon ausgegangen,

dass staatliche Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen.

Ebenfalls als inakzeptabel wird in der EU der Putsch in Myanmar
angesehen. Das Militär hatte Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi, die
an der Spitze einer Regierung aus Zivilisten und Militärs stand,
Anfang Februar gestürzt. Am Wochenende kamen bei Protesten gegen den
Militärputsch nach Medienberichten mindestens zwei Demonstranten ums
Leben. Ebenfalls wurde berichtet, dass eine 20-jährige Studentin, die
von Einsatzkräften in der Hauptstadt Naypyidaw angeschossen worden
war, an ihren schweren Kopfverletzungen gestorben sei.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte das Vorgehen des Militärs
und der Sicherheitskräfte am Samstag erneut verurteilt und dazu
aufgefordert, die Gewalt gegen Zivilisten sofort einzustellen. Nach
Angaben des Spaniers sollen die Diskussion beim Außenministertreffen
an diesem Montag «angemessene Entscheidungen» ermöglichen.