Generalstreik und Massendemos in Myanmar - EU bereitet Sanktionen vor

22.02.2021 19:36

So viele Menschen wie nun waren seit dem Putsch in Myanmar noch nicht
auf der Straße. Die Toten vom Wochenende haben die Proteste neu
befeuert. Die EU plant Sanktionen - und auch Facebook sperrt Seiten
der Generäle.

Naypyidaw (dpa) - Zehntausende Menschen haben am Montag in Myanmar
trotz drohender Gewalt durch die Sicherheitskräfte erneut gegen die
Militärjunta protestiert. Berichten zufolge soll es sich um die
größten Kundgebungen seit dem Militärputsch Anfang Februar gehandelt

haben. Auf Fotos in sozialen Netzwerken waren unter anderem in der
früheren Hauptstadt Rangun und der Großstadt Mandalay im Norden
gigantische Menschenansammlungen zu sehen. In der Hauptstadt
Naypyidaw seien mehr als ein Dutzend Teilnehmer festgenommen worden,
berichtete das Nachrichtenportal «Myanmar Now».

Die Demonstrationen fanden in allen Teilen des südostasiatischen
Landes im Rahmen eines Generalstreiks statt, nachdem die Polizei am
Wochenende zwei Menschen erschossen hatte. Insgesamt ist die Zahl der
Todesopfer damit auf drei gestiegen. Eine Studentin, die die
Einsatzkräfte am 9. Februar mit einem Kopfschuss niedergestreckt
hatten, war vergangene Woche gestorben.

Der Militärführung drohen nun Sanktionen der Europäischen Union. Man

werde alle noch vorhandenen diplomatischen Kanäle nutzen, um auf eine
Deeskalation hinzuwirken, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas am
Montag am Rande von Beratungen mit EU-Kollegen in Brüssel.
Gleichzeitig werde man aber für den Fall, dass dies nicht gelinge,
Sanktionen gegen die Junta vorbereiten. Insbesondere der Umgang mit
Demonstranten sei «außerordentlich besorgniserregend», sagte der
SPD-Politiker. Man verurteile nach wie vor auch den Putsch und sei
nicht gewillt, sich die Entwicklungen weiter tatenlos anzuschauen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Abend, die
EU-Sanktionen sollten die verantwortlichen Militärs und ihre
wirtschaftlichen Interessen treffen. Ab sofort werde zudem die
EU-Unterstützung für staatliche Reformprogramme in Myanmar gestoppt.
Zugleich versprach die Europäische Union, auch weiterhin humanitäre
Hilfe zu leisten. Die nun vorbereiteten Sanktionen sollen demnach so
angelegt werden, dass sie der Bevölkerung des Landes nicht schaden.

Die Generäle hatten sich in der Nacht zum 1. Februar zurück an die
Macht geputscht und die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi
sowie viele Mitglieder ihrer Regierung in Gewahrsam genommen. Seither
wurden zahlreiche weitere Politiker, Aktivisten und Demonstranten
festgenommen. Die Militärpräsenz wurde nach dem Beginn der
Demonstrationen vor knapp drei Wochen massiv verstärkt. Einsatzkräfte
schossen auch mit scharfer Munition auf Demonstranten.

Nachdem Facebook im Zuge der Militärgewalt am Wochenende bereits eine
Internet-Seite der Armee aus dem Online-Netzwerk entfernt hatte, soll
die Plattform am Montag auch die Seite des staatlichen Fernsehens
MRTV gesperrt haben. Dies berichteten unter anderem die sogenannte
Bewegung des zivilen Ungehorsams in Myanmar und zahlreiche weitere
User.

An den Protesten nahmen Beamte, Fabrikarbeiter, Ärzte, Lehrer,
Bankangestellte und viele andere Berufssparten teil. Sie betonten,
sie würden nicht unter einer Militärdiktatur arbeiten und forderten
die Wiedereinsetzung der zivilen Regierung von Suu Kyi. Der massive
Generalstreik fand unter dem Titel «22222» statt, in Anlehnung an das
Datum 22.02.2021. «Wenn wir Widerstand gegen die Diktatur leisten,
könnten sie uns erschießen. Das wissen alle. Aber wir müssen uns der

Diktatur widersetzen, es ist unsere Pflicht», zitierte das Portal
«Frontier Myanmar» einen Aktivisten.

«Gewöhnliche Menschen in Myanmar beteiligen sich an einem
außergewöhnlichen Akt, um ihren Widerstand gegen den brutalen
Militärputsch trotz Morden, Gewalt und Einschüchterungen durch
Sicherheitskräfte zu demonstrieren», schrieb die Aktivistengruppe
«Gerechtigkeit für Myanmar» auf Twitter.