EU-Kommissarin ruft im Kampf gegen Missbrauchsfotos im Netz zur Eile

23.02.2021 05:00

Brüssel (dpa) - Im Kampf gegen Fotos und Videos missbrauchter Kinder
im Internet ruft EU-Innenkommissarin Ylva Johansson das EU-Parlament
und die EU-Staaten dringend zum Handeln auf. «Es eilt», sagte die
Schwedin der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Beide Seiten
müssten sich schnell auf eine Übergangslösung für das Aufspüren
bestimmter Missbrauchsdarstellungen einigen. Datenschutzbedenken
könne sie absolut nicht nachvollziehen. Für die Verhandlungen am
(heutigen) Dienstag erhofft sich die Sozialdemokratin erhebliche
Fortschritte.

Hintergrund ist, dass Unternehmen wie Facebook und Google Nachrichten
über ihre Mail- und Messenger-Dienste in der EU seit Ende Dezember
nicht mehr mit bestimmten Filtern scannen dürfen. Nach Daten des
US-Zentrums für vermisste und ausgebeutete Kinder NCMEC haben die
Tech-Unternehmen in den sechs Wochen danach nur noch halb so viele
Hinweise auf Missbrauchsdarstellungen aus der EU gegeben wie zuvor.

Bislang haben die Unternehmen versendete Nachrichten auf Bilder und
Videos gescannt, die bereits bekannt und mit einer Art digitalem
Fingerabdruck versehen worden sind. Diese wurden dann etwa NCMEC
gemeldet, wo sie geprüft und gegebenenfalls an die Behörden
weitergegeben wurden. Damit dies fortgesetzt werden kann, schlug
Johansson im September eine Übergangslösung vor. Europaparlament und
EU-Staaten konnten sich jedoch nicht rechtzeitig bis zum 21. Dezember
auf eine Linie einigen. Der Vorschlag geht zudem deutlich weiter als
das bisherige Verfahren, bei dem nur auf bereits bekannte
Darstellungen gescannt wurde.

So hat Johansson auch das Aufspüren neuer Fotos sowie des sogenannten
Groomings in ihren Vorschlag aufgenommen - also das Heranmachen von
Erwachsenen an Kinder über das Internet. Doch erfordert dies
weitreichendere Eingriffe in die private Kommunikation, weshalb es
vor allem im Parlament Vorbehalte gibt.

Johansson kann das nicht nachvollziehen. Sie könne nicht verstehen,
dass die Privatsphäre es unmöglich machen solle, Kinder zu schützen.

«Dann hat man wirklich ein sehr seltsames Verhältnis von
Privatsphäre», sagte sie der dpa. Textnachrichten müssten auf
bestimmte Muster durchsucht und nicht der gesamte Inhalt mitgelesen
werden. «Das ist wirklich ein entscheidendes Thema.» Das «Grooming»

habe in der Corona-Pandemie deutlich zugenommen.