EuGH-Gutachter: Höhere deutsche Hürden für Kopftuchverbot rechtens

25.02.2021 12:48

Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen ein Kopftuch
am Arbeitsplatz verbieten. Aber wie in der Juristerei üblich: Es gibt
keinen Grundsatz ohne Ausnahme. Ein EuGH-Gutachten sagt nun, dass
deutsches Recht Einfluss auf diese Ausnahmen nehmen darf.

Luxemburg (dpa) - Die strengen deutschen Regeln für ein
Kopftuchverbot am Arbeitsplatz sind aus Sicht des zuständigen
Gutachters am Europäischen Gerichtshof mit EU-Recht vereinbar.
Konkret geht es darum, dass in Deutschland bei einem solchen Verbot
etwa eine «hinreichend konkrete Gefahr eines wirtschaftlichen
Nachteils für den Arbeitgeber» nachgewiesen werden muss.
Grundsätzlich kann Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuchs am
Arbeitsplatz jedoch verboten werden. Das am Donnerstag in Luxemburg
veröffentlichte Gutachten ist für die EuGH-Richter nicht bindend,
häufig folgen sie ihm aber.

Hintergrund sind zwei Fälle aus Deutschland. Zum einen war eine
muslimische Mitarbeiterin einer überkonfessionellen Kita mehrfach
abgemahnt worden, weil sie mit Kopftuch zur Arbeit erschienen war.
Vor dem Arbeitsgericht Hamburg wurde daraufhin verhandelt, ob die
Einträge aus der Personalakte gelöscht werden müssen und laut
Mitteilung des EuGH gab es die Tendenz des Arbeitsgerichts, das
Vorgehen als unmittelbar diskriminierend einzustufen.

Zum anderen hatte das Bundesarbeitsgericht 2019 bei einem Fall aus
dem Raum Nürnberg, in dem eine Muslimin gegen ein Kopftuchverbot bei
der Drogeriemarktkette Müller geklagt hatte, das höchste europäische

Gericht um eine Stellungnahme gebeten. Während sich die Angestellte
in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt sah, verwies die
Drogeriekette auf unternehmerische Freiheit.

Das nun veröffentlichte Gutachten bezieht sich auch auf Symbole
anderer Religionsgemeinschaften wie etwa die traditionelle jüdische
Kopfbedeckung Kippa. Es wurde zudem argumentiert, dass ein
Arbeitgeber keine Ganz-Oder-Gar-Nicht-Haltung vertreten müsse. Es sei
rechtens, große religiöse oder politische Symbole unter Verweis auf
einen neutralen Dresscode zu untersagen, aber kleine Symbole «die
nicht auf den ersten Blick bemerkt werden» auszunehmen.

Bereits 2017 hatte der EuGH in einem ähnlichen Fall mit einem
vielbeachteten Urteil Schlagzeilen gemacht. Damals sprachen sich die
obersten Richter der EU dafür aus, dass Arbeitgeber ein Kopftuch im
Job unter Umständen verbieten könnten, etwa wenn weltanschauliche
Zeichen generell in der Firma verboten seien und es sachliche Gründe
dafür gebe.

Unter diesen Umständen stelle ein Kopftuchverbot keine unmittelbare
Diskriminierung dar. Allerdings könne es um «mittelbare
Diskriminierung» gehen, also eine Regelung, die Personen mit einer
bestimmten Religion oder Weltanschauung besonders benachteiligt. Dies
könne jedoch gerechtfertigt sein, etwa um politische, philosophische
oder religiöse Neutralität gegenüber Kunden zu wahren.