EU-Parlament ebnet Weg für Bürgerdialog zur Zukunft Europas

04.03.2021 15:04

Auf der «Konferenz zur Zukunft Europas» ruhen große Hoffnungen. Nach

monatelangem politischen Gezerre soll sie nun endlich starten können.
Gefragt sind dann die Bürgerinnen und Bürger.

Brüssel (dpa) - Der Bürgerdialog zur Zukunft der Europäischen Union
kann nach monatelangem politischen Streit starten. Spitzenvertreter
des EU-Parlaments stimmten am Donnerstag einer in den vergangenen
Wochen ausgehandelten Erklärung zu dem Projekt zu, wie
Parlamentspräsident David Sassoli mitteilte. Die Regierungen der
Mitgliedstaaten und die EU-Kommission hatten bereits zuvor grünes
Licht für das Gründungsdokument gegeben.

Der Bürgerdialog, der offiziell «Konferenz zur Zukunft Europas»
heißt, soll den Menschen in der EU in den kommenden Monaten die
Gelegenheit geben, sich zu ihren Erwartungen an die Politik zu
äußern. Zudem will das Europaparlament auch institutionelle Fragen
auf die Tagesordnung bringen - also zum Beispiel die, ob es
länderübergreifende Listen für die Europawahlen und Spitzenkandidaten

für das Amt des Kommissionspräsidenten geben sollte.

Ziel sei es, Bereiche anzusprechen, in denen die EU handeln könne
oder in denen ein Handeln der EU zum Nutzen der europäischen Bürger
wäre, heißt es in der Erklärung zum Start des Bürgerdialogs. Als
Beispiele werden Themen wie der Klimawandel, Migration und soziale
Gerechtigkeit genannt.

Organisiert werden soll der Dialog zum Beispiel über eine
mehrsprachige digitale Plattform. Sobald es die Corona-Pandemie
wieder zulässt, sind dann auch in allen EU-Ländern physische
Konferenzen und Debatten vorgesehen. Dass alle Regionen,
Altersgruppen, Geschlechter und Bildungsniveaus ausgewogen
repräsentiert sind, sollen sogenannte Bürgerpanels gewährleisten.

Die Konferenz zur Zukunft Europas hatte eigentlich bereits im
vergangenen Mai beginnen sollen. Über die vergangenen Monate gab es
allerdings Streit um die politische Führung. Der Kompromiss sieht nun
vor, die Konferenz von einem Dreierteam führen zu lassen. Dieses soll
aus EU-Parlamentspräsident Sassoli, Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen und dem jeweiligen Staats- oder Regierungschef des Landes
mit dem rotierenden EU-Ratsvorsitz bestehen.

Das Tagesgeschäft wird dem Kompromiss zufolge von einem
Exekutivausschuss mit je drei Vertretern der Institutionen geführt
werden. In ihn könnte dann auch der liberale Spitzenpolitiker Guy
Verhofstadt einziehen. Nach dem Willen des Europaparlaments hätte der
frühere Brexit-Beauftragte der Abgeordneten eigentlich die Leitung
der Konferenz übernehmen sollen. Der Belgier Verhofstadt war bei
einigen Regierungen von EU-Mitgliedstaaten allerdings nicht
durchsetzbar gewesen.

Der Abschluss der Konferenz ist für das Frühjahr 2022 unter
französischer EU-Ratspräsidentschaft geplant. Ihre Ergebnisse sollen
dann laut dem Text für die Erklärung «Orientierung für die Zukunft

Europas» geben.

Der deutsche Grünen-Politiker Daniel Freund äußerte sich zum
bevorstehenden Start des Bürgerdialogs optimistisch. Er sei ein sehr
gutes Verfahren, um die lauten Ränder der Gesellschaft in den Griff
zu bekommen, sagte der Europaabgeordnete mit Blick auf extreme
Strömungen. Er gehe davon aus, dass es für gute Vorschläge aus der
Mitte breite Unterstützung geben werde. Das könne dann in der
politischen Debatte helfen, Dinge voranzubringen.

Der Chef der liberalen Renew-Fraktion, Dacian Ciolos, bezeichnete die
Konferenz als einzigartige demokratische Übung ohne Tabus. «Alle
Probleme Europas werden auf den Tisch gelegt. Es werden alle Lösungen
in Betracht gezogen», kommentierte der rumänische Abgeordnete.