Impfstoffstreit: EU-Staaten finden keine einheitliche Linie

01.04.2021 17:09

Brüssel (dpa) - Im erbitterten Streit um Corona-Impfstoffe haben die
27 EU-Staaten am Donnerstag keine einheitliche Linie gefunden.
Österreich, Tschechien und Slowenien trugen einen Kompromissvorschlag
zur Verteilung von zehn Millionen Impfdosen nicht mit, wie es aus
Diplomatenkreisen hieß. Geplant sei nun, die Menge wie üblich nach
Bevölkerungsstärke an die Mitgliedsstaaten zu verteilen.

24 Staaten - darunter Deutschland - hätten jedoch untereinander eine
Spendenaktion vereinbart, um Staaten mit besonders großem
Impfstoffmangel zu helfen. Insgesamt geben 19 Staaten gut 2,8
Millionen Dosen ab, um Lücken in Estland, Lettland, der Slowakei,
Kroatien und Bulgarien auszugleichen. Deutschland verzichtet nach
diesem Modell auf rund 500 000 Impfdosen zugunsten der fünf Staaten.

«Es ist ein wichtiges Signal in der Coronakrise, dass die ganz große
Mehrheit in der EU Solidarität mit den besonders vom Impfstoffmangel
betroffenen Ländern zeigt», erklärte ein EU-Diplomat. «Es ist
bedauerlich, dass Österreich, Slowenien und Tschechien ausscheren und
sich dieser solidarisches Geste verweigern.»

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte zusammen mit weiteren
EU-Staaten vor Wochen eine ungleiche Verteilung der Impfstoffe unter
den 27 Mitgliedern beklagt. Daraufhin beauftragte der EU-Gipfel
vorige Woche die EU-Botschafter, eine ins zweite Quartal vorgezogene
Lieferung von zehn Millionen Biontech/Pfizer-Dosen so aufzuteilen,
dass Löcher gestopft werden.

Der portugiesische Vorsitz schlug vor, drei der zehn Millionen
Impfdosen für sechs besonders bedürftige Länder zu reservieren,
nämlich Bulgarien, Kroatien, Estland, Lettland, die Slowakei und
Tschechien. Die übrigen sieben Millionen Impfdosen sollten wie üblich
nach Bevölkerungsanteil unter allen 27 Staaten verteilt werden.

Da Österreich, Tschechien und Slowenien Vorbehalte hatten, wurde der
Vorschlag am Donnerstag leicht verändert. Trotzdem gelang keine
einstimmige Entscheidung. Für die Ersatzlösung der 24 Staaten wurde
eine Einspruchsfrist bis zum Abend (19.00 Uhr) vereinbart.

Grundsätzlich lief die Verteilung der zentral beschafften Impfstoffe
bisher so: Jeder der 27 Staaten hat Anspruch auf einen Anteil nach
Bevölkerungsstärke. Schöpft ein Land dies nicht aus, können andere

EU-Staaten diese Mengen aufkaufen. Einige Regierungen setzten
besonders auf Astrazeneca und sind nun wegen Lieferproblemen im
Hintertreffen. Österreich bestellte weniger von Johnson & Johnson und
befürchtet deshalb Lücken.